Wer sich den Unterschied zwischen Kapitalismus und Sozialismus anschaulich vor Augen führen möchte, der stelle sich einen Parkplatz vor:
Auf der einen Seite steht ein einsamer Trabi, auf der anderen Seite stehen die vielen hundert westdeutschen Automodelle und typen. Beides ist das Ergebnis fünfzigjähriger deutscher Ingenieurskunst. Wer glaubt, die Ingenieure und Arbeiter der vormaligen DDR seien schlechter oder fauler als ihre westdeutschen Landsleute und Kollegen gewesen und dies sei die Ursache des gewaltigen Unterschieds, der muß seinen Verstand verloren haben. Der Unterschied erklärt sich ganz anders und ganz einfach: Das eine (der Trabi) ist das Ergebnis des Sozialismus, die anderen sind das Ergebnis des Kapitalismus. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß ein DDR-Arbeiter jahrelang arbeiten mußte,um eine stinkende Trabant-Schachtel überhaupt erwerben zu können und auch noch jahrelang darauf warten mußte,während der westdeutsche Arbeiter schon für ein paar Monatslöhne aus einer vielfältigen Palette qualitativ hochwertiger, sicherer und komfortabel ausgestatteter Fahrzeuge wählen konnte. (Hier sollte man noch anfügen: Niemand macht sich eine Vorstellung davon, welcher Modellreichtum technisch-fortschrittlichst ausgestatteter und wesentlich billigerer Autos dort auf der „kapitalistischen Seite“erst stehen würde, wenn wir eine wirklich freie Marktwirtschaft, einen tatsächlich echten Kapitalismus hätten und nicht einen staatlich hundertfach gefesselten und vom Steuer- und Sozialabgabenstaat ausgesaugten Kapitalismus, sprich einen Halb- bis Dreiviertelsozialismus mit seinem staatlichen Bildungswesen, staatlichem Gesundheitswesen, staatlichem Rentensystem, staatlich massiv regulierten Arbeitsmärkten und staatlich-bürokratischen Sozialsystemen, die das gesamte Leben der Bürger programmieren und überwuchern.)
Man stelle sich nun zusätzlich vor, wir würden dem zeitreisenden Besucher aus einem lange vergangenen Jahrhundert diesen Parkplatz zeigen und ihm sagen, daß die meisten Leute in den sogenannten gebildeten Schichten unseres Landes (und ganz Europas, ja der gesamten Erde) das Wirtschats und Gesellschatsmodell bevorzugen, das als eine seiner „Glanzleistungen“ den Trabi hervorgebracht hat. Der Besucher aus der Vergangenheit würde uns entweder für einen wilden Scherzbold halten oder für einen geistesgestörten Lügner. Doch wenn sich der Zeitreisende danach durch das Studium von Zeitungen, Büchern und Fernsehprogrammen, sowie durch Diskussionen mit Intellektuellen, Politikern und Studenten davon überzeugen könnte, daß besagte Aussage den Tatsachen entspricht, daß also tatsächlich die weit überwiegende Mehrheit der Geistes-, Medien- und Kultureliten den Kapitalismus ablehnen und den verschiedenen Formen des Sozialismus anhängen, dann würde er in sein Jahrhundert zurückreisen und berichten, daß der Menschheit in Zukunft ein makabres Schicksal bevorstehe: Sie leben zwar jedenfalls in den Industrieländern des Westens mit einem Wohlstand und Komfort, wie ihn die Könige und Fürsten der Vorzeit nicht gekannt haben; sie müssen viel weniger arbeiten und wesentlich leichtere und weniger gefährliche Tätigkeiten verrichten; sie sind körperlich gesünder und wohlgenährter als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte und leben zwei- bis dreimal länger als ihre Vorfahren; aber sie sind allesamt von einer schweren Geisteskrankheit erfaßt, die ihren Verstand verdunkelt und ihre Urteilskraft zersetzt; sonst würden sie nicht diejenige Ordnung verurteilen und hassen, die ihnen all die Annehmlichkeiten und Reichtümer beschert hat, und statt dessen die Systeme bewundern und herbeisehnen, die überall auf dem Globus die Völker in Knechtschaft und Armut geführt haben. Und der Zeitreisende würde seinen Zuhörern raten, mit ihrem armseligen Leben in Not und Armut und mit ihrer harten Arbeit zufrieden zu sein, weil es wohl eine Art Naturgesetz sei, daß bei einem Leben der Völker in Wohlstand und mit den Annehmlichkeiten einer fortgeschrittenen Zivilisation deren geistige Eliten dem Irrsinn verfallen und politische Ideen und politische Kasten heranzüchten, welche die eigentlich friedliebenden Menschen immer wieder in Krieg und Zerstörung, in Niedergang und Verarmung, in Knechtschaft und Massentod führen. Malen wir uns noch aus, die Zuhörer unseres Zeitreisenden würden einwenden, daß jene zukünftigen Intellektuellen vielleicht aus wichtigen Gründen den Wohlstand ablehnen und die Armut bevorzugen, oder daß es möglicherweise noch andere Wege zum Wohlstand der Massen geben könne als den Kapitalismus. Da sich unser imaginierter Rückkehrer jedoch, wie wir gesehen haben,hinreichend kundig gemacht hat,könnte er wie folgt erwidern: In jener fernen Zeit um den Wechsel vom zwanzigsten zum einundzwanzigsten Jahrhundert gibt es ein regelmäßig erscheinendes wissenschaliches Werk, das sich Index of Economic Freedom nennt. Unter dem Dach einer Institution namens Heritage Foundation, versammelt sich Jahr für Jahr ein rundes Dutzend herausragender Ökonomen und untersucht 161 Länder der Erde danach, welchen Grad an ökonomischer Freiheit sie ihrer Bevölkerung gewähren und welches Sozialprodukt und durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen dort jeweils erzielt wird. Dabei gehen sie nach streng wissenschalichen Maßstäben vor und verwenden zehn Faktoren, die mit hinreichender uverlässigkeit meßbar also der statistischen Erfassung zugänglich sind, wie beispielsweise den Freiheitsgrad beim internationalen Handel, der sich an der Zahl und Höhe der Zollsätze, der Ein- und Ausfuhrverbote oder entsprechenden Quotenregelungen und an der Zahl und dem Schwierigkeitsgrad behördlicher Vorschriften ablesen läßt. Des weiteren werden untersucht: die Höhe der Steuerlasten,
die Sicherheit des Eigentums, die Freiheit des Kapitalverkehrs, Ausmaß und Umfang regulierender Staatseingriffe in die Wirtschaft, die Geldpolitik bzw. die Stabilität der jeweiligen Landeswährung, der Umfang der Kapitalströme und der ausländischen Investitionen in die heimische Ökonomie, die Freiheit der Lohn- und Preisbildung, der Zustand des Banken- und Finanzwesens und der Umfang der jeweiligen Schwarzmärkte, die einen Hinweis dafür liefern, wie stark die Funktion der legalen Märkte vom Staat und seiner Bürokratie behindert oder unterdrückt ist. Die Summe dieser Forschungs- und Analyse-Arbeiten zeigt alljährlich dasselbe Ergebnis, nämlich: Der Wohlstand oder Reichtum von Nationen ist eindeutig und exponentiell mit dem ökonomischen Freiheitsgrad der untersuchten Länder korreliert. Letztere werden abschließend in vier Kategorien eingeteilt: „Frei“, „Überwiegend frei“, „Überwiegend unfrei“ und „Unterdrückt“. Es stellen sich z.B. für das Jahr 1998 folgende Zahlen heraus: Das durchschnittliche jährliche Pro Kopf-Einkommen liegt in den Ländern der beiden Kategorien „Unterdrückt“ und „Überwiegend unfrei“ nahezu gleich tief bei rund 2.800 Dollar, in Ländern der Kategorie „Überwiegend frei“ bei über 11.000 Dollar, und bei Ländern der Kategorie „Frei“ bei über 21.000 Dollar. Auch die historisch vergleichende Einzelbetrachtung von Ländern ergibt dasselbe Resultat. So waren beispielsweise um die Mitte des 20. Jahrhunderts, genau gesagt im Jahr 1960, Länder wie Hongkong, Südkorea und Singapur noch genauso arm wie oder noch ärmer als viele Entwicklungsländer am Ende des Jahrhunderts. 8 Jahre später, also 1998, zeigt das Bruttoinlandsprodukt dieser in die ökonomische Freiheit entlassenen Nationen ein beeindruckendes Bild: Es hat sich in Hong Kong verfünfzehnfacht, in Südkorea versechzehnfacht und in Singapur ist das Bruttoinlandsprodukt sogar zweiundzwanzigmal größer als 1960. Zur gleichen Zeit liegen die Staaten südlich der Sahara, die zur Kategorie „Unterdrückt“ oder „Überwiegend unfrei“ zählen, nur beim Dreifachen des Sozialprodukts von 1960 (s. Schavey 2001). Es sollte also ganz besonders für die unterentwickelten Länder und ihre Eliten, aber natürlich auch für die fortgeschrittenen Industrienationen klar sein, was zu tun und was zu lassen ist. Und dennoch, so berichtet unser Zeitreisender seinen Zuhörern weiter, übt die überwiegende Zahl der Intellektuellen jener Zeit, in die ich gereist war, den irrationalen und sinnlosen, ja völlig widersinnigen Spagat zwischen dem rhetorischen Eintreten für die Armen in der Welt einerseits und Kapitalismusschelte andererseits, bzw. zwischen der Parole, die Linderung oder Beseitigung der Armut sei höchste moralische Pflicht, und der Parole, reicher werden durch den Kapitalismus (also dem einzig möglichen Weg hierzu, weil Ökonomische Freiheit und Kapitalismus ein und dasselbe bedeuten) sei moralisch verwerflich und müsse durch Umverteilung oder "gerechtere Verteilung“, wie sie es nennen ersetzt werden, also durch genau das, was den Kapitalismus am sichersten verhindert oder zerstört. Ich glaube, so der Zeitreisende abschließend, daß sich einstmals unter denjenigen, die sich zu jener Zeit „Intellektuelle“ nennen, einige finden müssen, welche die Ursachen und Gründe des närrischen Verhaltens ihrer Kollegen erforschen. Denn nur wenn sie diese Wurzeln und Quellen gefunden haben, können sie sich mit einiger Aussicht auf Erfolg ans Werk machen, um wenigstens die Gutwilligen und Einsichtigen ihrer Zun von den Irrwegen des Denkens abzubringen und um damit den zukünigen Völkern vielleicht doch die ständige Wiederkehr von Niedergang, Elend und Zerstörung zu ersparen.