Von 22 Tausend Mitgliedern im Jahr 1982 ist die Mitgliederzahl der Parteiengruppierung Bündnis 90/Grüne inzwischen auf über 125 Tausend gestiegen. Auch wenn diese Anzahl an der Einwohnerschaft Deutschlands lediglich 0,15 % beträgt, ist diese Partei dabei, die deutsche Wirtschaftspolitik zu prägen und das Land mit zwangsbewehrter Regulierung auf eine mutmaßlich ökologischere Wirtschaft auszurichten. Es stellt sich die Frage, welche konkreten wirtschaftspolitischen Vorstellungen hier verfolgt werden. Wer übt prägenden Einfluss auf die Vorstellungen dieser Gruppierung aus, wenn es um die „ökologische Umgestaltung“ der Wirtschaft geht?
Die Partei von Bündnis 90/Grüne stellt in der gegenwärtigen Bundesregierung den Vizekanzler und besetzt die Ministerposten Auswärtiges, Wirtschaft und Klimaschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie Umwelt. Bei einer Bevölkerung Deutschlands von 83,24 Millionen haben bei der letzten Bundestagswahl 6,47 Millionen für „Grün“ gestimmt. Das sind 7,8 %. Obwohl diese Parteigruppierung somit von über 92 % der Bevölkerung nicht gewählt, erhebt sie den Anspruch auf eine bestimmende Einflussnahme auf die Geschicke Deutschlands.
Dabei ist wenig darüber bekannt, welche konkreten Vorstellungen darüber herrschen, wie die ökologische Wende konkret aussehen soll.
Welche Wirtschaftsform wird anvisiert, um mit der vermeintlichen globalen Erwärmung fertig zu werden? Als erstes ist festzustellen, dass es für die Grünen von vornherein als ausgemacht gilt, dass die Weltwirtschaft wegen des Klimawandels vor dem Kollaps steht. Von dieser Prämisse ausgehend, stellt die Frage, wie auf diese Herausforderung zu antworten sei. Welche Autoren kann man benennen, die aus grüner Sicht eine Antwort auf diese Frage geben?
Wenn man sich umschaut, wer die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der ökologischen Kreise maßgeblich prägt, stößt man sehr schnell auf Ulrike Herrmann. Wie kaum sonst jemand prägt Frau Herrmann – seit 2000 Redakteurin bei der Tageszeitung taz und deren Wirtschaftskorrespondentin – das ökonomische Weltbild der Grünen Klientel. Als aktive Vortragsreisende und in vielen Debatten präsent, versteht es die Aktivistin, ihren vielen Anhängern die Vision der ökologischen Wende nahezubringen. Ihr Einfluss auf die ökologische Bewegung ist kaum zu unterschätzen. Sie ist eifrig als Autorin, wurde 2015 mit dem Preis für Wirtschaftspublizistik der Keynes-Gesellschaft für ihre Beiträge in der taz ausgezeichnet und erhielt 2019 den Otto-Brenner-Preis „für ihren kritischen und pointierten Wirtschaftsjournalismus mit gutem Gespür für Sozialstaatlichkeit“.
Frau Hermann wird von ihrer Gefolgschaft sehr ernst genommen. Sie ist gleichsam die „Chefökonomin“ der grünen Bewegung, obwohl sie kein offizielles Parteiamt innehat. Mit ihrer netten Vortragsweise versteht sie es, eingänglich und in einfacher Sprache ihre Gefolgsleute davon zu überzeugen, dass das Ende des Kapitalismus gekommen sei. Frau Herrmann geht tiefgreifenden Analysen aus dem Weg und vermeidet komplexe Argumentationen. Aber genau damit hat sie das wirtschaftliche Weltbild der Grünen in ihrem Sinne monopolisiert. Ulrike Herrmann ist ein Meister der Echokammer.
Ulrike Herrmanns Grundthese lautet, dass kapitalistisches Wirtschaftswachstum in einer endlichen Welt nicht möglich ist, weil die Produktion an absolute Grenzen stößt. Es gibt die Umweltgrenze und die Rohstoffgrenze. Die Umwelt ist überlastet und bald werden die Rohstoffe bis zum letzten aufgebraucht sein. Vorher aber kommt es bereits zur Klimakatastrophe, die das Leben auf dem Planeten unmöglich macht. Es muss schnell gehandelt werden.
Noch vor der Jahrhundertmitte soll Deutschland klimaneutral werden. Der Weg dorthin ist die Einführung einer „ökologischen Kriegswirtschaft“. Das Privateigentum kann formell beibehalten werden, aber der Staat wird strikte Vorgaben für Konsum und Produktion geben. Der Markt wird außer Kraft gesetzt, Preise werden kontrolliert und ein System der Mengenrationierung muss installiert werden.
Für Frau Hermann ist der Kapitalismus ein Wirtschaftssystem, das sowohl Wachstum hervorbringt, aber auch ohne Wachstum nicht bestehen kann. Da jedoch, so Ulrike Herrmann, dem Wachstum „absolute“ Grenzen gesetzt sind, ist auch der Kapitalismus endlich und muss notwendigerweise einem anderen System weichen, das sie als „Kreislaufwirtschaft“ bezeichnet.
Es geht nicht nur um steigende Temperaturen, sondern mit der Klimakatstrophe ist eine ganze Reihe anderer Desaster verbunden: das größte Artensterben aller Zeiten, der massive Verlust fruchtbarer Böden, ein zunehmender Mangel an Süßwasser. Die Welt hat nur noch wenig Zeit, um eine globale Erwärmung von mehreren Grad aufzuhalten. Wenn das nicht gelingt, kommt es zum Zusammenbruch des Amazonaswaldes und zum Auftauen der Gebiete des sibirischen Permafrostes. Die Abschmelzung des Grönlandeises ist bei weiterem Temperaturanstieg ebenso unvermeidlich wie die von Teilen der Antarktis mit der Folge eines Anstiegs des Meeresspiegels von zwölf bis fünfzehn Metern.
Die gelernte Journalistin und studierte Historikerin versteht es, ihre Gemeinde von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass die deutsche Wirtschaft schrumpfen muss. Um von der heutigen Wachstumswirtschaft zur Kreislaufwirtschaft zu kommen, ist ein Zwischenstadium nötig, das es nun zu installieren gilt: Eine „kriegswirtschaftliche Schrumpfwirtschaft“. Konkret heißt das unter anderem: Einstellung des Flugverkehrs, Abschaffung des Individualverkehrs und Kürzung des Speiseplans, vor allem um den Fleischkonsum. Leitbild für ihre Vorstellungen ist die englische Kriegswirtschaft. So wie England zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als es darum ging, die Wirtschaft möglichst schnell von der Friedens- auf die Kriegswirtschaft umstellen, so soll jetzt die gegenwärtige konsum- und wachstumsorientierte kapitalistische Wirtschaft auf eine „ökologische Kreislaufwirtschaft“ umgestellt werden. Investitionen und Konsum müssen an staatliche Vorgaben ausgerichtet werden. Die Preise werden kontrolliert, der Markt außer Kraft gesetzt. Es geht darum, die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit auf das Ziel ausrichten, die „CO2-Emissionen“ zu reduzieren.
Frau Ulrike Herrmann will augenscheinlich die systematische Deindustrialisierung Deutschlands. Aber damit nicht genug, auch die mit dem kapitalistischen Wachstum verbundenen Dienstleistungen wie das Banken- und Versicherungswesen, die Werbeindustrie und die Messelogistik müssten verschwinden. Dieser Abbau geht aber ihren Vorstellungen nach nicht mit einer Massenarbeitslosigkeit einher, da ja die ökologische Landwirtschaft genügend Arbeitsplätze anbieten könne. Allerdings gibt sie zu, dass das mit dem heutigen Einkommensniveau nicht vereinbar sei. Die Löhne und Gehälter werden drastisch fallen, und das ist gut so, denn somit gibt es auch weniger Konsum.
Nach Auffassung der Ökosozialisten ist der Kapitalismus nicht überlebensfähig. Seine Grundkonstellation besteht im Zusammenspiel von Technik, Industrialisierung und Treibhausgasen. Für die Ökomarxisten ist das Grundproblem des Kapitalismus nicht der Klassenkampf, sondern die „Ausbeutung“ der Natur.
Zusammengefasst lautet die These von Ulrike Herrmann und damit wohl auch weithin für die Grünen als Partei und deren Anhängerschaft: Kapitalismus bedeutet Wachstum, aber weil ständiges Wachstum in einer endlichen Welt nicht möglich ist, muss die kapitalistische Wachstumswirtschaft durch eine ökologische Kreislaufwirtschaft ersetzt werden. Der Weg dorthin führt über eine erzwungene Schrumpfwirtschaft, welche den Einsatz kriegswirtschaftlicher Methoden erfordert. Ziel ist die drastische Reduzierung der Produktion und des Konsums, um den Verbrauch mit den ökologischen Standards der eigenen Weltanschauung in Einklang zu bringen.
Für die Ökosozialisten ist die kommende, menschengemachte, quasi durch „den Kapitalismus“ verursachte Klimakatastrophe eine Gewissheit. Erkenntnistheoretisch ist diese These zwar a priori weder im Vorhinein noch im Nachhinein beweisbar, also selbst dann nicht, wenn es zu einer Erwärmung kommen würde.[1] Es handelt sich dabei vielmehr um eine Art Dogma, das in den deutschen Leitmedien als nicht mehr hinterfragbar gilt, und auch sachlich bleibende Kritiker des Dogmas werden mittlerweile – unbesehen ihrer Argumente – als „Klimaleugner“ aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt. Es macht aus diesem Grund wenig Sinn, auf diese These einzugehen. Die vorliegende Kritik zielt vielmehr darauf ab, nachzuweisen, dass selbst dann, wenn es zu einer solchen Klimakatastrophe käme, die Argumentation von Frau Herrmann und der ihr folgenden grünen Antikapitalisten auf falschen Thesen beruht und so zu falschen Schlussfolgerungen führt.
Frau Ulrike Herrmann hat offenkundig Marx und vielleicht auch Adam Smith und ein wenig Keynes studiert, darüber hinaus sich aber kaum mit anderen Wirtschaftstheorien beschäftigt und sich sicherlich gedanklich nicht mit der Österreichischen Schule oder selbst der Neoklassik auseinandergesetzt. Dem beschränkten Horizont ihrer geistigen Ziehväter folgend, kommt Herrmann zu dem Schluss, dass die Lebensdauer des Kapitalismus begrenzt sei. Sie folgt hier der Marxschen These vom tendenziellen Fall der Profitrate. Demnach treibt der Wettbewerb die Kapitalisten zur Überakkumulation von Kapital. Dies führt zu immer geringer werdenden Erträgen. Die Profitrate fällt umso mehr, wie die Konzentration des Kapitals zunimmt. Der Kapitalismus schafft sich sein eigenes Grab.
Das Gesetz der abnehmenden Grenzerträge gehört zum Standardrepertoire der Wirtschaftstheorie und ist aus der Landwirtschaft schon lange sehr wohl bekannt. Die Ökologen übertragen nun dieses Prinzip auf die gesamte Wirtschaft und begründen damit die Grenzen des Wachstums. Dabei verkennen sie jedoch eine ganze Reihe von Punkten: Erstens sind es diese abnehmenden Grenzerträge, die eine Überexpansion verhindern. Sobald Verlust droht, wird der Unternehmer die Ausweitung des Betriebes stoppen. Deshalb gibt es in der Marktwirtschaft neben den wenigen Großunternehmen so viele kleine und mittlere Unternehmen. Zweitens treibt ein geringer werdender marginaler Ertrag der eingesetzten Produktionsgüter die Unternehmen dazu, nach neuen Verwendungen des Kapitals zu suchen, die höhere Erträge bringen. Darin besteht der sogenannte technische Fortschritt. Dabei geht es nicht nur um Technik im herkömmlichen Wortgebrauch, sondern um alle betrieblichen Maßnahmen, welche die totale Faktorproduktivität erhöhen. Innovation ist das Kennzeichen des modernen Kapitalismus und nicht immer mehr Produktion derselben Güter mit denselben Produktionsmitteln.
Die Ökosozialisten reden von Knappheit der Rohstoffe und ignorieren, dass Knappheit universell ist und das Wesen des Wirtschaftens darstellt. Gäbe es keine Knappheit, bräuchte man nicht Wirtschaften. In der Marktwirtschaft sind die Preise Knappheitsindikatoren und dienen zugleich als Anreiz, mit der Knappheit wirtschaftlich umzugehen. Weil also den Thesen der Ökosozialisten zur Folge eine erhöhte Knappheit der Rohstoffe droht, müsste man nach rationaler Beurteilung umso mehr die marktwirtschaftliche Preisbildung befürworten.
Ein weiterer Irrtum der ökologischen Antikapitalisten schließt sich an die vorherigen an: Der Glaube, es ginge den Menschen immer nur um mehr Produktion und um mehr Konsum. Vielmehr ist es so, dass der Produktivitätszuwachs auch dazu dient, anstatt mehr Güter, mehr Freizeit nachzufragen. Was den modernen Kapitalismus auszeichnet, ist der laufende Produktivitätsfortschritt und nicht, wie die Ökosozialisten einen glauben zu machen versuchen, immer mehr Produktion. Durch den technischen Fortschritt sinkt der Ressourcenverbrauch und die höhere Produktivität erlaubt mehr Muse.
Die Tatsache, dass Ulrike Herrmann durchaus zu schreiben versteht und eine ausgezeichnete Rednerin ist, darf nicht darüber täuschen, dass ihre Hauptthese über die Grenzen des Wachstums, trügerisch falsch ist. Anstatt immer wieder dieselben Irrtümer zu wiederholen und mit immer wieder denselben Thesen durchs Land zu ziehen, täte die „Chefökonomin der Grünen“ gut daran, sich mit der Wirtschaftstheorie jenseits von Smith, Marx und Keynes zu beschäftigen. Dann müsste sie erkennen, dass nicht weniger Kapitalismus, sondern mehr Kapitalismus die Lösung ist – und zwar unabhängig davon, ob wirklich eine Klimakatastrophe bevorsteht oder nicht. Gegen eine Umweltkrise ist man am besten durch eine hohe wirtschaftliche Leistungskraft gewappnet. Eine hohe Produktivität ist die Grundlage, um dieser und den anderen Herausforderungen Herr zu werden. Genau darin liegt aber die spezifische Leistung „des Kapitalismus“, also des unerzwungenen Austauschs von Gütern und Leistungen unter Einsatz von Produktionskapital, im Unterschied zu allen anderen Wirtschaftssystemen. Ob nun die angekündigte Klimakatastrophe Wirklichkeit wird oder nicht, man wird mit ihr umso besser fertig werden, je marktwirtschaftlicher im vorgenannten Sinne das Wirtschaftssystem ausgerichtet ist. Umgekehrt führt der Ökosozialismus in jedem Fall in eine wirtschaftliche und menschliche Katastrophe – selbst dann, wenn die klimatische Krise ausbleiben sollte.
Fazit:
… der Ökosozialismus [führt] in jedem Fall in eine wirtschaftliche und menschliche Katastrophe – selbst dann, wenn die klimatische Krise ausbleiben sollte.