Das stumme Lied:

Verharmlosen und verschweigen „Die größten Triumphe der Propaganda wurden nicht durch Handeln, sondern Unterlassen erreicht. Groß ist die Wahrheit, größer aber, vom praktischen Gesichtspunkt, ist das Verschweigen der Wahrheit.“

Aldous Huxley, im Vorwort zu „Brave New World“, 1949

https://en.wikipedia.org/wiki/Brave_New_World

Ablehnung der Wahrheit

Bezeichnenderweise geht den meisten Bürgern der westlichen Welt erst heute, ein oder zwei Menschenalter zu spät – und erst nach dem Erscheinen von Büchern wie Das Schwarzbuch des Kommunismus (Courtois et al., 1997/98), Das Ende der Illusion (Furet 199/96), Das Rotbuch der kommunistischen Ideologie (Löw 1999) und Erinnerung an den Roten Holocaust – Der Jahrhundertverrat der Intellektuellen (Rothenhäusler/Sonderegger 1999) – ein Licht darüber auf, welche unbeschreiblichen Verbrechen und Menschenvernichtungen im 20. Jahrhundert begangen worden sind; und zwar nicht nur im Zeichen des zwölf Jahre währenden Nationalsozialismus, sondern auch im Namen des siebzig Jahre währenden roten Sozialismus. „Bezeichnend“ ist das deshalb zu nennen, weil damit deutlich wird, dass die Intellektuellen der westlichen Welt – vor allem aber Europas – nicht nur ihrer selbstgewählten Aufklärungspflicht fast ein Jahrhundert lang nicht nachgekommen sind, sondern die Wahrheit sogar absichtlich verschwiegen und verfälscht – und damit der Jahrhundertlüge vom edlen Sozialismus und vom unmoralischen Kapitalismus zum Sieg verholfen haben. Die immer wieder zu hörende Ausrede, auch die politischen und geistigen Eliten des Westens hätten von den wahren Vorgängen in der Sowjetunion und in der übrigen blutrote Hälfte des Globus nichts gewusst oder nur spärlich Kenntnis erlangt, ist eine fromme Legende. Schlimmer noch: Es ist eine makabre Lüge. Bei Helmut Schoeck lesen wir dazu: „Von Eugene Ionescu erschien 1977 ein Buch mit dem Titel Gegengift. Ein solches braucht man, wie er im Vorwort schreibt, »gegen die Intellektuellen«, die seit 20 Jahren sich und ihr Publikum betrügen … Diesen französischen Intellektuellen [vom Schlage Sartres] lag schon vor über 20 Jahren die Dokumentation über den Archipel GULAG vor, aber sie erwiderten: Darüber muss Stillschweigen bewahrt werden, »weil sich sonst das Bürgertum freut« … Die Londoner Times erklärte ihren Lesern, dass es sich in Frankreich keiner, der als Intellektueller gelten will, leisten könne, »rechts von Robespierre« (dem Chefterroristen der Französischen Revolution) zu stehen. Seit 1945 seien in Frankreich alle großen, nicht linke, Schriftsteller, z.B. Raymond Aron, »als Intellektuelle nicht zugelassen, es war unschicklich, ihre Meinung auch nur zu zitieren«“ (Schoeck 1979, S. 207). Jean-François Revel, einer der wenigen aufrichtigen – und gerade deshalb am meisten angefeindeten Denker Frankreichs, hat sein halbes Leben damit zugebracht, das Blendwerk der heuchlerischen Falschmelder aufzudecken. In seinem Buch Die Herrschaft der Lüge schreibt er: „Was die Überlegenheit des Intellektuellen über die restlichen Exemplare des Homo Sapiens ausmacht, das ist seine Tendenz, nicht nur aus Faulheit die Erkenntnisse zu vernachlässigen, über die er verfügt, sondern sie sogar absichtlich zu vernichten, wenn sie die lesen, die er verbreiten will, stören … So glaubt man im Allgemeinen, dass die Linksintellektuellen im Westen die wahre Natur der Sowjetunion noch lange nach Beginn unseres Jahrhunderts [des 20. Jhdt..] verkannten, da sie ja so erfüllt waren vom legitimen und großzügigen Vertrauen in die Qualitäten des neuen Regimes und dann von der stalinistischen Zensur und Propaganda getäuscht wurden. Diese Erklärung ist falsch … Die höchsten politischen und intellektuellen Verantwortungsträger im Sozialismus der damaligen Zeit [in Frankreich] wussten schon [1918] alles über den Sowjetischen Despotismus, da ja fast das gesamte System bereits im ersten Jahr seines Bestehens installiert wurde. Was geschieht 1918 und 1919? Die französischen Sozialisten beginnen, die Wahrheit abzulehnen“ (Revel 1990, S.87f.). Als eines von vielen Beispielen schildert Revel, wie im Januar 1918 eine Gruppe der SFIO (der französischen Sektion der Arbeiter-Internationale) gegen die Beschreibungen des bolschewistischen Terrors in der kommunistischen Zeitung L’Humanité protestierten und damit erreichten, dass solche Reportagen nicht mehr gedruckt wurden. „Auf diese Weise“, so Revel, „führt die Linke … die Tradition der Zensur ein, die bis in unsere Tage blühen wird, in verschiedenen Dosierungen je nach der Glaubwürdigkeit, zunächst zugunsten der UdSSR, dann von China, von Kuba, von Vietnam, von Kambodscha, von Angola, von Guinea, von Nikaragua und von zahlreichen Ländern, die in der dritten Welt das Etikett »sozialistisch« tragen. Ein Jahr später werden die Grausamkeiten, die bei der Liga der Menschenrechte als bewiesen gelten, zum Gegenstand einer zynischen Walzmaschine, die sie versteckt, oder ausgekochter Interpretationen, die sie rechtfertigen. Die beiden Historiker der Französischen Revolution, die am meisten Autorität besitzen, Alphonse Aulard und vor allem Albert Mathiez, verzeihen den Bolschewiken ihre Massenexekutionen mit Hilfe der gleichen Argumente, mit denen sie die Schreckensherrschaft von 1793 und 1794 entschuldigen, ja rühmen“ (S. 88f.). Mit der Verschlimmerung des bolschewistischen Terrors trat bei den westlichen Intellektuellen keineswegs eine Besinnung ein. Im Jahr 1932 reiste zum Beispiel das britische (sozialistische) Ehepaar Sidney und Beatrice Webb nach Russland. Es war das Jahr, in dem Stalin den Genozid an den Kulaken – an Millionen von Bauern, meistens Ukrainern – durchführte, weil sie sich der Kollektivierung widersetzten. Weil die anfänglichen Erschießungen zu viel Zeit in Anspruch nahmen, wählte Stalin die Hungersnot als Ausrottungsmittel und ließ alle Straßen und Schienenwege in die Kulakengebiete sperren und den Bauern sämtliche Lebensmittel, die Treibstoffanks, das Saatgut und alle Tiere wegnehmen. Die Zahl der Hungertoten wird auf sechs bis zehn Millionen geschätzt. Die Webbs reisten während des Höhepunktes der Hungersnot – Ende 1932 und Anfang 1933– durch die Ukraine. Sie müssen grausige Bilder gesehen haben. Gleichwohl verkündeten sie nach ihrer Rückkehr, die Hungersnot sei eine Erfindung der Anti Kommunisten. Es gebe in der Sowjetunion weder eine geplante noch eine ungeplante Hungersnot. Derselbe „Geist“, der noch immer fast ausschließlich von links weht, schreibt auch heute – am Anfang des 21. Jahrhunderts – das Chaos im nachsowjetischen Russland nicht dem siebzigjährigen sozialistischen Totalitarismus zu, sondern dem „Versagen der Marktwirtschaft“

Killing Fields

Mit Beispielen solcher Art würden sich ganze Bibliotheken füllen lassen. Ja, die Medien- und Publikationslandschaft des gesamten 20. Jahrhunderts ist ein einziges Giga-Beispiel für den Lug und den Trug, der sich um die Weltkatastrophe namens Sozialismus rankt, und für die fahrlässige und absichtliche Blindheit der intellektuellen Gefolgschaft gegenüber den schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Sogar die sechzig Millionen Toten im Gefolge von Maos „großem Sprung nach vorn“ sind in den westlichen Medien und von den sich in diesen Medien massenweise tummelnden Intellektuellen 2 Jahre lang vertuscht worden. Aber auch danach wurde das Geschehen nur mit ein paar lapidaren Nebensätzen abgetan. Und als nach dem Rückzug der USA aus Südostasien die Killing Fields in Vietnam und Kambodscha kamen, war dieser größte Holocaust der Weltgeschichte nach Hitler der akademischen Jugend kein Sterbenswörtchen wert; und natürlich schon gar keine Großdemonstration von der Art, wie sie sie zuvor mit ihrem „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“-Geschrei gegen die USA veranstaltet hatten. Bis zum heutigen Tag haben die sozialistischen Verbrecherregime, die im 20. Jahrhundert den Globus umspannten, weder eine belehrende noch gar eine bekehrende Wirkung auf die politischen und intellektuellen Eliten gezeitigt, auch nicht in Deutschland, wo die Intelligenzler das östliche Gefängnis für die eigenen Landsleute 30 Jahre lang vor der Nase hatten. Obwohl sie heute wissen– und die meisten wussten es schonlange –, dass das SED-Regime 26 Haftanstalten unterhalten hat, in denen politische Gefangene unbezahlte Zwangsarbeit leisten mussten; obwohl sie wissen, dass der deutsche „Arbeiter- und Bauernstaat“ insgesamt 350.000 „politisch andersdenkende“ Menschen eingekerkert hatte, von denen fast 100.000 die Torturen nicht überlebt haben; obwohl sie wissen, dass die DDR Hymne nicht Auferstanden aus Ruinen ,sondern Nieder gewirtschaftet zu Ruinen hätte lauten müssen; obwohl sie wissen, dass die Landsleute im Osten um die Früchte ihrer gesamten Lebensarbeit gebracht wurden und dass die „Friedensarmee“ – bis hinunter zu den Betriebskampfgruppen – nicht für die Verteidigung, sondern für den Angriff getrimmt wurden; obwohl sie also das alles wussten – oder spätestens heute wissen, hat sich der Sklavenstaat DDR bei den meisten deutschen Intellektuellen lediglich von einem Hoffnungs-Modell in ein Nostalgie-Modell verwandelt. Seit dem Mauerfall tragen sie Trauer – die einen offen, die anderen heimlich.

Der neue Sozialismus etabliert sich gerade wieder in Deutschland. Wehret den Anfängen.

Das deutsche Lied:

Nationalismus, nationaler Sozialismus, Etatismus

„Einige Ideen sind so abstrus, dass nur Intellektuelle an sie glauben konnten.“

George Orwell

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