Die Demokratie basiert auf einem Wettbewerb der besten Ideen. In der Praxis allerdings haben primär die Parlamentsparteien die Chance, ihre Ideen einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen. In den letzten Jahren hat die Oligarchie der Parlamentsparteien die Hürden für neue Parteien sogar massiv erhöht.

Bereits im Parlament vertretene Parteien benötigen für den Wahlantritt nur einige Unterschriften von bestehenden Abgeordneten. Neue Parteien und Wahlbündnisse benötigen je nach Wahl eine bestimmte Anzahl von Unterstützungserklärungen, bei der Nationalratswahl wird eine bestimmte Anzahl pro Bundesland benötigt.

Unser Wahlbündnis ÖXIT EU-AUSTRITT FÜR ÖSTERREICH (www.oexit.me) wollte bei der EU-Wahl 2024 antreten und konnte zeitgerecht nur 2.492 von benötigen 2.600 Unterstützungserklärungen sammeln. Unser zentrales Anliegen, der Öxit, wird derzeit, je nach Umfrage, von 24 – 29 % der Österreicher unterstützt, also ca. von 1,5 – 1,9 Mio. Wahlberechtigten. Theoretisch sollte es also kein Problem sein, die Unterstützungserklärungen zu schaffen. Es gibt allerdings zwei wesentliche Schwierigkeiten: erstens man muss die Sympathisanten erreichen und zweitens die Personen müssen auch bereit sein eine Unterstützungserklärung abzugeben.

In den Prozess der Abgabe von Unterstützungserklärungen wurden eine ganze Serie von Hindernissen eingebaut. Der Wähler konnte seine Unterstützungserklärung nur zwischen 26. März und 26. April am Hauptwohnsitz-Gemeindeamt (in Wien bei jedem Magistratischen Bezirksamt) das korrekt ausgefüllte Formular unterschreiben (selbst kleinere Fehler führen zu Ungültigkeit). Es muss mittels Ausweis die Identität nachgewiesen werden und der Beamte musste die Unterschrift mit Gemeindestempel und Unterschrift beglaubigen. Die Unterstützer mussten uns das Original der Unterstützungserklärung zukommen lassen.

Die erste Sammelwoche war die Osterwoche (viele Menschen waren auf Urlaub). Die letzte Sammelwoche musste für den Postweg eingeplant werden – nächste Woche werden uns wohl etliche Unterstützungserklärungen zu spät zugehen. Nur eine Minderheit der Menschen ist bereit für eine Unterstützungserklärung aufs Amt zu gehen. Da sich die Bürger in den letzten Jahren daran gewöhnt haben, dass viele Amtsgeschäfte online mittels digitaler Signatur erledigt werden können, ist die Bereitschaft zum Amt zu gehen, weiter gesunken. Da viel weniger Menschen aufs Amt gehen als früher, trifft man beim Werben um Unterstützungserklärungen mittels Info-Ständen vor den Ämtern auch weniger Menschen an. In kleinen Gemeinden ist diese Abgabe von Unterstützungserklärungen alles andere als anonym, da man immer wieder etwas von der Gemeinde braucht, scheuen viele dafür zurück, sich politisch zu exponieren.

Für die Unterstützung von Volksbegehren kann man einerseits mittels digitaler Signatur online unterschreiben oder die Unterstützungserklärung direkt am Amt abgeben, ohne das Original der wahlwerbenden Partei zukommen lassen zu müssen. Wenn die Unterstützung von wahlwerbenden Gruppen genauso einfach wäre, dann hätten wir es zweifellos auf den Wahlzettel geschafft, möglicherweise auch andere wahlwerbende Gruppen.

Die zweite Herausforderung ist das Erreichen der Wähler. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen muss man als neue Partei erhebliche finanzielle Mittel haben, um eine teure Werbekampagne machen zu können oder aber über gut etablierte Kommunikationskanäle verfügen. Den Großteil der Unterstützungserklärungen verdankt unser Wahlbündnis der Tatsache, dass wir dank früher Kampagnen über mehrere Tausend mehr oder weniger aktuelle Postadressen von Sympathisanten hatten, die angeschrieben werden konnten.

Zwei von zehn Gruppierungen, die sich um einen Wahlantritt bemüht haben, haben es auf den Stimmzettel geschafft. Erstens die relativ reiche KPÖ (nicht gerade eine junge Partei), die wohl Dank Fini Steindling einen Teil des sagenumwobenen DDR-Schatzes geerbt hat. Zweitens die DNA, eine junge Partei mit Schwerpunkten in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Bürgerrechte und Neutralität, gegründet von der Ärztin Maria Hubmer-Mogg, die sich mittels Kritik an der Corona-Politik einen Telegram-Kanal mit mehr als 12.700 Abonnenten aufbauen konnte. Damit wurde die Social-Media-Plattform Telegram bei dieser EU-Wahl zu einer kritischen Infrastruktur der österreichischen Demokratie. Ja, wir reden von der Plattform Telegram, die von der dem Bundeskanzleramt unterstellten Bundesstelle für Sektenfragen als Gefahr für die Demokratie verunglimpft wird.

Auch finanziell gesehen, haben sich die Parlamentsparteien einen gewaltigen Vorteil verschafft. Eine der höchsten Parteienförderungen der Welt sorgt dafür, dass sie den Bürger mit sehr teuren Werbekampagnen beglücken können. Neue Parteien sind auf Spenden angewiesen, aber das Werben um Spenden wurde in den letzten Jahren durch das Parteispenden-Gesetz massiv erschwert. Jede Person / jedes Unternehmen darf einer Partei max. € 7.500 pro Jahr spenden (beim Erstantritt der Partei 5 x 7.500 = 37.500). Parteispenden ab € 500 (!) müssen veröffentlicht werden. Das ist unsachlich, dadurch sollen offenbar Personen, die wirtschaftlich nicht unabhängig sind, von Parteispenden abgehalten werden. Im Vergleich dazu in der Schweiz müssen Spenden ab 15.000 Schweizer Franken (= ca. 15.800 Euro) veröffentlicht werden. NEOS und das Team Stronach, die 2013 dank Großspendern den Einzug in den Nationalrat geschafft haben, hätten es mit dem heutigen Parteispendengesetz wohl nicht geschafft.

Die Tatsache, dass es für neue Parteien so schwer ist, den Wahlantritt zu schaffen, hat offenbar mediale Folgewirkungen. Parteien, die sich um eine Kandidatur bemühen, werden als wenig relevant angesehen. Viele Medien berichteten überhaupt nicht, bei etlichen Printmedien wurde jeweils eine APA-Meldung zu unserer Kandidatur übernommen. Mit der Kleinen Zeitung hatte ich ein Interview, das Online-Medium TKP hatte allen Gruppierungen, die sich um eine Kandidatur bemüht haben, 10 Fragen gestellt. Wir hatten je einen Bericht in den Abendnachrichten bei ServusTV und bei AUF1, beim ORF haben wir es einmal in die Mittagsnachrichten geschafft (Fernsehen und Radio). Puls24 hat eine Debatte von Alexander Harrer (Volt) und mir ausgestrahlt.

Aufgrund der unfairen Hürden für neue Parteien sind in Österreich die Wahlen zwar frei, aber nicht fair. Es wäre das Mindeste, dass Unterstützungserklärungen für den Wahlantritt einer neuen Partei ebenso einfach eingebracht werden können, wie jene für Volksbegehren. Weiters sollten die Hürden für Parteispenden abgebaut werden, um es neuen Parteien zu erleichtern, zu finanziellen Mitteln zu kommen, das Parteispendengesetz der Schweiz könnte als Vorbild dienen.

Benjamin Davies/pixabay https://unsplash.com/de/fotos/mann-auf-rasen-schaut-in-den-himmel-JrZ1yE1PjQ0

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