Sie gibt Partys in ihrer Wohnung, zu der sie durch Erbschaft gekommen ist. Eine Neureiche! Auf ihren Festen zeigt sie, was sie ihr Eigentum nennen kann und dass sie weiß, wie Stimmung auszusehen hat. Alles ist akribisch geplant. Diejenigen, die für die musikalische Untermalung zuständig sind, sind genauso ausgewählt wie ihre Gäste. Reich und schön ist das Motto! Oder zumindest eines davon im Übermaß. Teure Roben und edler Schmuck übertünchen fehlende Klasse. Charakter und Proletendasein schlagen leider durch. Innere Leere lässt sich nicht dauerhaft maskieren. Natürlich werden Anhängsel mitgebracht, in begrenzter Anzahl eben. Wer eingeladen wurde, kann sich glücklich schätzen.
So sicher wie ihr finanzieller Background ist ihr Auftreten. Sie begrüßt selbstsicher und genießt, im Mittelpunkt zu stehen als diejenige, der Dank gebührt, als die, die bekannt dafür ist, perfekte Feste zu feiern. Bis spät in die Nacht trudeln immer wieder neue Leute ein, die sie gut oder weniger gut kennt. Manche hat sie noch nie gesehen. Dort tritt sie besonders herzlich auf, weiß sie doch nicht, wer ihr gegenübersteht. Hat sie die entsprechende Information durch Zuflüstern erhalten, erkennt sie sogleich, auf welchem Terrain sie sich bewegten muss. Sie ist nicht in der Position, sich bei irgendjemandem einschleimen zu müssen. Die andern müssen das – bei ihr! Sie wollen alle in ihrer Gunst stehen, wieder eingeladen werden, um die Plattform ihrer Wohnung nützen zu können. Nicht selten werden Geschäftsbeziehungen und andere Liaisons dort geschlossen. Wer will sich das schon entgehen lassen!
Mehr als die Hälfte ihres Lebens hat sie bereits hinter sich, obwohl - wer weiß das schon? Ein Großteil des Lebensplans ist bereits erledigt. Ein erwachsenes Kind ist da und die Ehe liegt weit zurück. Arbeiten braucht sie nicht wirklich, weil genug da ist. Die generelle Motivation ist klein. Sie darf sich geruhend zurücklehnen und genießen. Das macht sie, obwohl sie dem Genuss überdrüssig ist. Essen gehen, putzen lassen, urlauben und feiern. Manchmal schlägt sie dabei über die Stränge, dröhnt sich zu. Wer alles hat, sucht oft am meisten!
Ihre Beziehungen sind bisher alle irgendwann gescheitert. Zu dirigieren und gleichzeitig dirigiert zu werden ist nicht ihr Ding! Auf Sex muss sie dabei nicht verzichten. Wer Geld hat, schart zu jeder Zeit einige Toyboys um sich herum. Schlecht aussehen tut sie nicht. Recht gut für ihr Alter, würden die Leute sagen. Immer wieder wird spekuliert, was sie in ihrem Gesicht machen hat lassen. Das Ob steht dabei außer Frage. Sie mag jung sein, forever, strahlt Lifestyle und Jugend aus, während sie ihren eigenen körperlichen Verfall vor dem Spiegel beobachten muss. Zuerst ist sie in den besten Jahren gewesen. Lachfältchen und markanter werdende Züge haben sie noch nicht gestört, vielleicht sogar ihren Charakter unterstrichen, der von Lebenserfahrung und vermeintlicher Selbstsicherheit erzählt. Sie hat gedacht, die Zeit bliebe stehen nur für sie, dass sie den Moment dauerhaft auskosten könne. Die Zeit heilt viele Wunden, wie man so schön sagt, sie bringt auch neue hervor! Du kannst mit ihr um die Wette laufen, gewinnen wirst du nicht! Die Erkenntnis sickert immer wieder durch, wenn sie bei sich ist. Deshalb trinkt sie zu viel. Alle Cremes, Operationen und Aufputschmittel bringen die Frische nicht zurück, die sie einmal gehabt hat.
Hat sie vor einigen Jahren noch wirklich geglaubt, bei Männern extrem begehrt zu sein, kommen ihr jetzt Zweifel. Die meisten Typen, die sie abschleppt, sind jünger als sie. Nicht lange, dann werden auch die anderen den Altersunterschied erkennen. Wie unangenehm, wie peinlich! Sie hat Angst, zur Witzfigur zu werden, als alte Fratze dazustehen, die sich an den Hals von gut aussehenden Jünglingen wirft. Als Gönnerin, mit der die Liebhaber nur ins Bett steigen, weil sie Geld hat. Sie ist sich schon jetzt sicher, dass die meisten Sexpartner nur an ihrer Seite stehen, weil sie dies und jenes bezahlt, weil sie neben ihr ein schönes Leben genießen. Mehr wollen die nicht. Einige Zeit ausgehalten werden, ihre guten Kontakte nützen, um einen Job zu bekommen. Wenn sie unabhängig sind und alleine stehen, suchen sie sich eine viel jüngere, mit der sie Familie gründen. Sie stellt nur das Sprungbrett in eine bessere Zukunft dar.
Hin und wieder sinniert sie über die Vergangenheit, über Fehler, die gemacht wurden und über die Realität, in der sie steht. Sie lässt ihre Gedanken über die Träume schweifen, die sie einmal gehabt hat, sie denkt an Menschen, die viel weniger Materielles haben, die sie aber insgeheim beneidet. Einige Male hat sie pietätlos Beziehungen zum Scheitern gebracht, weil sie sich eingemischt hat. Sie hätte nicht müssen, ihr Stolz aber hat sie vorangetrieben. Und ihr Neid. Nie hat sie vollkommenes Glück erlebt. Wenn annähernd Glück, dann immer nur kurz. Man bekommt meistens, was man gibt! Sie fragt sich, ob das alles gewesen ist und kann doch nicht aus ihrer Haut schlüpfen.
Sie ist Jägerin und Freierin. Die Marionetten um sie herum haben nicht das Rückgrat, ihr Parole zu bieten. Sie misst diesen Widerstand, den sie offiziell nicht duldet. Liebe und Hass sind der Gleichgültigkeit gewichen. Bagatellprobleme bewegen ihren Alltag. Meist können diese mit Bussi Bussi gelöst werden. Die Gesellschaft tanzt sowieso nach ihrer Pfeife. Nur hinter ihrem Rücken wird geredet. Sie weiß es nicht, sie spürt es. Worte, die gemeint werden, stehen in der Luft, hallen nach.
Irgendwann wird sie erkennen, dass der goldene Käfig, in dem sie ihr Leben verbracht hat, nicht das Paradies ist, sondern eine ewige Prüfung. Wahre Werte haben wenig damit zu tun. Wenn sie erkennt, sieht sie ihre wahren Freunde, die kaum vorhanden sind. Sie sieht die Versäumnisse, sie sieht Traurigkeit und bedauert die Fehler, die sie gemacht hat. Weil sie aus ihnen nichts gelernt und viel Unheil angerichtet hat. Auch an sich. Dann wird sie zu alt sein, um noch einmal von vorn zu beginnen. Sie wird versuchen, ihre restliche Zeit mit reinem Gewissen im Einklang mit sich zu verbringen und mit Glück einen Menschen finden, der sie um ihretwillen liebt und nicht als Hure des Einflusses und Geldes, die sie einmal gewesen ist. Sie wird Gefühle entdecken, die sie verloren geglaubt hat und Frieden finden.
Meistens macht es Sinn, nach Sinn zu suchen!