Wie ein Schnitzel wohl in Seibersdorf schmeckt?

Diese Frage lässt sich für einen Nicht-Seibersdorfer gar nicht so leicht beantworten. Man müsste schon enge Kontakte zu den Menschen, in diesem 270 Seelen-Dorf bei St.Veit, nahe der slowenischen Grenze haben, denn das letzte Wirtshaus hält schon seit Jahren seine Pforten geschlossen und die Leute verbarrikadieren sich in ihren idyllisch anmutenden Häusern. Was ist passiert? Nun ja, den Menschen ist das Rausgehen an die frische Luft, laut einem Bericht aus der ORF-Reihe „Am Schauplatz“, regelrecht vergangen. Die Probleme sind sprichwörtlich-und auch tatsächlich aus der Luft gegriffen! Was ist mit der Luft? Die Antwort: Sie stinkt. Und zwar angeblich so gewaltig und penetrant, dass kein normales Leben mehr möglich sein soll. Dieser permanente, alles überragende Gestank kommt von den Einwohnern des Dorfes, welche Seibersdorf in der Südsteiermark am meisten zählt: Mastschweine. Zirka 10.000 sollen es mittlerweile sein und es werden immer mehr. Somit gibt‘s genug Schnitzerl und Kotelettes für alle!  Einer fröhlichen Grillparty im Garten würde also nichts im Wege stehen, wenn da nur dieser bestialische Gestank nicht wär‘…

Die großen Mastbetriebe haben Einzug gehalten und die kleinen Bauern verdrängt, so wie das halt ist, heutzutage. Billig soll es sein, das Fleisch und schmecken soll‘s!  Was macht es schon für einen Unterschied, ob die Schweine zusammengepfercht auf 0,7 Quadratmeter pro Schwein „leben“, schlafen und scheißen, oder nicht? Für den Fall, dass sich mal ein Schwein verletzt, oder Krankheiten und Entzündungen auftauchen, ist ja eh bestens gesorgt. Es gibt ja schließlich genug Medikamente, die das wieder „gutmachen“. Und damit sie ganz schnell wachsen, bekommen sie Hormone. Dann werden sie früher geschlachtet und brauchen nicht so lange leiden. Aber dieser Scheinheiligtum und die Tatsache, dass der Mensch mit dem Fleisch auch die ganze Palette an Antibiotika, Hormone und Medikamente mitisst und dadurch eher unfreiwillig fast zum Junkie wird, ist eine andere Geschichte. Genauso wie der Punkt, dass Schweine äußerst intelligente und sehr soziale Lebewesen sind und deswegen umso mehr leiden!

Aber zurück zur eigentlichen Story. Überdimensionale Güllegruben, das Epizentrum des Gestanks, zieren zum Teil das Landschaftsbild- Misthaufen waren gestern. Dadurch ist das Grundwasser und somit auch das Trinkwasser in Gefahr. Für viele Bewohner sind Wäscheaufhängen an der frischen Luft, Fenster lüften, Gartenarbeit, der gemütliche Plausch mit dem Nachbarn, das Gläschen Wein vor dem Haus an einem lauen Sommerabend und noch viele andere Dinge, nicht mehr möglich. Die Frustration ist groß, aber was hält dann eigentlich noch die Einwohner an ihrem ungeliebten Ort? Wär‘ es nicht naheliegend, einfach ihre Häuser zu verkaufen und wegzuziehen? Doch die Antwort kommt promt: Wer kauft ein Haus unter diesen Umständen? Josef Fritzl vielleicht, der hätte dort seine scheinheilige Ruhe, ist aber hinter Gittern besser aufgehoben! Und wenn irgendjemand doch Interesse hätte, was wäre ein angemessener Preis? An dieser Stelle fällt mir der Titel eines Hollywoodstreifens mit Tom Hanks aus den 80er Jahren ein: Geschenkt ist noch zu teuer! Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ein Verkauf der Immobilien nahezu unmöglich scheint. Hilfe aus der Politik brauchen sich die leidgeprüften Ortsbewohner freilich auch nicht erhoffen, die ist es ja schließlich, die solche Undinge erst ermöglicht. Alles regelkonform und nach neuesten EU-Standards! Der Bürgermeister ist machtlos, zum Schweigen verdonnert und muss offensichtlich den Mastbetreibern die Stange halten. Bürgerinitiativen und Tierschützer haben sich zusammengetan, in der Hoffnung, doch noch Licht am Ende des Misttunnels herbeizubringen.

Und so heißt es weiterhin für die Protagonisten in diesem beinahe gottverlassenen Ort, an einer geeigneten Lösung zu arbeiten, denn täglich grüßt das Murmeltier, bzw. das Schwein! Was die Ausgangsfrage „Wie ein Schnitzel wohl in Seibersdorf schmeckt?“ betrifft, kann ich für mich selbst keine Antwort finden, lebe ich doch schon seit Jahren vegetarisch. Ich kann nur mutmaßen und mir denken, dass den meisten Seibersdorfern  der Appetit auf das Schwein wohl vergangen sein muss. Und bei den ganz Hartgesottenen, die sich ein Leben ohne Schweinderl im Bauch gar nicht vorstellen können, wird doch so mancher Bissen einen fahlen Beigeschmack haben. Dass die Masse der Allgemeinheit auf (Schweine)Fleisch verzichtet und sich somit das Problem dieser Region in wohlriechende Luft auflösen würde, bleibt wohl eher ferne Zukunftsmusik. Für die Mastbetriebe bedeutet das- genau: „Nochmal Schwein gehabt“!

chilis77

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:58

Kristallfrau

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