Der eigentliche Grund, warum ich Konsumtempel wie Interspar, Billa & Co meide und Diskonter bevorzuge, liegt an den Menschen.
Normale Menschen, die normal aussehen, normale Dinge tun und auch darauf bedacht sind, möglichst normal zu wirken. Die hast du bei Billa & Co, den Rest findet man im Diskonter - also alle jene, denen es aus irgendeinem Grund egal ist, normal zu sein, die trifft man im in irgendeinem Billigladen, und das gefällt mir. Vom anonymen bis zum bekennenden Alkoholiker, von der frisch verliebten Jungfrau über die unglücklich verheiratete Mittdreißigerin bis zur wieder glücklichen Witwe, all diese Leute gibt es bei Hofer, Zielpunkt oder Lidl dieser Welt.
Mitunter trifft man aber auch noch schrulligere, besonders interessante Exemplare, die nicht so ganz in ein stereotypes Weltbild passen.
Zum Beispiel der Hochschulprofessor mit dem Bananentick - aber alles der Reihe nach - Spannung entsteht nicht von selbst, sie will erzeugt werden !
Vorweg will ich klarstellen, dass ich normaleweise nicht der Typ bin, der die Gespräche anderer Personen belauscht, jedoch wenn diese mein Interesse wecken, bin ich durchaus in der Lage meine Diskretion beiseite zu legen und unaufällig eine Unterhaltung die mich eigentlich nichts angeht, mitzuverfolgen. Was ich damit sagen will, ist, dass nicht ich mir meine Spionageopfer aussuche, sondern diese mein Interesse wecken, sich mir sozusagen anbiedern und mich dadurch unbewusst auffordern, sie zu belauschen.
Auch den etwa 70 jährigen weißhaarigen ca 180cm großen Mann wäre meiner Aufmerksamkeit entronnen, hätte er sich nicht durch die Kombination verschiedener Verhaltensmuster in meine Wahrnehmungsblase boxiert. Zum Einen stand er schon ziemlich lang bei den Bananen und zum Anderen beriet er sich mit seiner Begleiterin hochkonzentriert und nahm ein 500g Bananen - Nylonetz nach dem anderen aus der Box und legte es wieder hinein. “Naja, manche nehmens halt ganz genau!” dachte ich und murmelte ich in meinen Bart.
Jedenfalls standen beide bei der Bananenbox und berieten in sehr ausgefeilter Rhetorik, welche Bananen sie wohl erstehen würden. Anhand der Tatsache, dass es nur diese eine Sorte zu erwerben gab, wäre für mich der Fall schnell erledigt gewesen. Nehmen-Zahlen-Gehen. Nicht jedoch für das ungleiche Päarchen, sie nahmen ein Nylonnetz nach dem anderen aus der Box und kategorisierten diese nach dem Farbton zwischen grün und gelb. Zu gelbe und zu grüne wurden sofort abgelehnt und zurückgelegt. Eine Chance erworben zu werden hatten nur hellgelben, aber nicht zu blassem Bananen, die einen einheitlichen Farbton vom Stengel bis zum Fruchtende aufwiesen. Früchte mit farblichen Verläufen wurden sofort ausnahmslos ausgesondert, da dies auf ungleichmässige Belichtung zurückzuführen sei und dadurch jede Banane einen anderen Geschmack aufweisen würde.
Nun war ich endgültig gefesselt, ich versuchte etwas näher ran zu kommen, indem ich so tat als würde ich die Pflaumen, die ich zu kaufen gedachte einem äußerst pingeligen Auswahlverfahren unterziehen (ich tarnte mich so als quasi Gleichgesinnter um bei meiner Spionagetätigkeit nicht aufzufliegen). Schnell merkte ich, dass ich wohl nicht der Typ dafür war, da ich immerwieder diesselbe Pflaume nahm, ohne es zu bemerken. Um das Gespräch der Bananenprofis zu belauschen, funktionierte mein Plan jedoch perfekt.
Nachdem ungefähr 2 Drittel in Farbe und Aussehen nicht entsprachen und alle mit braunen Flecken aussortiert waren (braune Flecken deuten übrignes auf schlechte Lagerung hin), verblieben drei Nylonnetze gefüllt mit den vorzüglichsten Bananen, die jemals in einer Hofer-Filiale zum Kauf angeboten wurden. Diese 3 Bananenpackungen wurde jetzt endlich einer genauen Untersuchung unterzogen. Da Farbe, Form und Lagerung bei allen drei perfekt gewesen schien, musste nun der Stengel herhalten. Dieser, so erfuhr ich, gab Aufschluss über die Dicke der Schale. Da nun bei Bananen die Schale weniger gut zum Verzehr geeignet ist und man diese aber genauso zu bezahlen hätte als wäre es genießbare Frucht, sollte aus der Sicht des Käufers diese relativ dünn sein. Die Logik dahinter: Weniger Schale - viel Frucht. Noch interessanter ist, wie man denn einer dickhäutigen Schale mit Sichtprüfung auf die Schliche kommt: Dicker Stengel -> dicke Schale -> wenig Frucht ! So einfach ist das, ich frage mich nur, wie ich ohne dieser essentiellen Wahrheit trotzdem so alt geworden bin?
Ich wurde zwischen extremen Verzückung und grundehrlichem Fremdschämen hin und hergerüttelt. Entgültig ratlos machte mich jedoch, dass der Bananenprofessor in jedem zweiten Satz erwähnte, dass es eigentlich eh egal war, aber….
Da ich bereits alle Pflaumen zerdrückt hatte und ich sowieso keine mehr wollte, entschloss ich mich hier abzubrechen und mich auf meine primäre Tätigkeit zu besinnen. Nämlich dem Erbeuten von Nahrungsmittel für meine Familie. So zog ich eine Schleife und füllte den Einkaufswagen mit teilweise wichtigen, teilweise unnützen Füllmaterial, als plötzlich eine dramatische Situation im Enstehen begriffen war. Das ungleiche Päarchen steuerte mit zielsicherer Gewissheit auf den Tomatenstand zu. Sofort dachte ich “Oh Gott, das geht nicht gut aus!” - Ich sah auf den Tomatenstand und sah, dass dort 5 verschiedene Sorten in Hülle und Fülle zum Verkauf angeboten wurden. In mir stieg die Spannung ins Unermessliche, ich wollte unbedingt wissen, wie die Zwei jetzt wohl entscheiden würden anhand des Überangebots. Ich überzeugte mein Gewissen, dass es diese eine Mal noch in Ordnung war Fremde zu belauschen. Auch das Argument, dass ich ja jetzt ja keine völlig Fremden ausspionierte, sondern quasi alte Bekannte, lies mich guten Gewissens in Position bringen. Gespannt beobachtete ich die Annäherung der Beiden an den Tomatenstand und gab einen Tipp ab, welche Sorte sie wohl als erste inspizieren würden. Doch entweder hatten sie mich durchschaut, oder ich hatte eine Halluzination - jedenfalls nahm die Frau wahllos ein paar Tomaten steckte sie in die Tüte und gingen wortlos weiter. Ich war völlig verzweifelt und rätselte wie es sein kann, dass man zuerst geschlagene 15 Minuten braucht um aus einer angebotenen Sorte die Richtigen zu wählen und kurz später aus 5 verschiedenen Sorten die Erstbesten nimmt ohne nur ein Wort darüber zu verlieren. Wieso ist mensch so undurchschaubar ? Nachdem ich wieder einigermaßen klar denken konnte, überlegte ich welch Gründe dieses Verhalten haben könnte. Ich kam zu folgenden Schluss: Der Mann ist pensionierter Bananenimporteur in dritter Generation - hat eine Zusatzausbildung in Lebensmittelqualitätskontrolle Hauptfach “Südfrüchte” und wuchs gemeinsam mit einem Gorillababy auf. Die Frau ist eher als Mitäter zu betrachen, hat jedoch im Laufe ihrer Beziehung mit dem Bananenprofessor schon einiges an Fachwissen aufgeschnappt. Beide mögen Tomaten eigentlich gar nicht, sind aber der Meinung, dass normale Menschen Tomaten zuhause haben sollten.
Ich jedenfalls verspreche ab jetzt hoch und heilig (fingerkreuz), keine Fremden mehr beim Bananenkaufen im Hofer zu belauschen.