Demokratisch Handeln statt TTIPtatur

Der Verhandlungsprozess zum Unfreihandelsabkommen TTIP legt das radikale Demokratiedefizit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten offen. Der nicht direkt gewählte Europäische Rat beauftragt die ebenfalls nicht direkt gewählte Kommission mit Geheimvehandlungen. Der anfangs zuständige Handelskommissar setzte sich sogar noch dafür ein, dass die Gerichte die nationalen Parlamente von der Mitbestimmung ausschließen. Die Souveräne, denen die TTIP-Inhalte - vom Ausschreibungszwang bis zum Klagerecht für Konzernen – nützen sollen, bleiben gänzlich ausgeschlossen.

Eine Reihe von Organisationen versuchte mit einer Europäischen Bürgerinitiative, das Verhandlungsmandat zu kippen – und wurde von der Kommission kaltschnäuzig zurückgewiesen: Das Mandat des Rates an die Kommission sei kein „Rechtsakt“ der Union, das Begehren der BürgerInnen unzulässig. Die EU-Institutionen, scheint es, sind für die Konzerne da und möchten dabei weder von Parlamenten noch Souveränen gestört werden. Diese Krise sollte genützt werden, um das „Haus Europa“ demokratisch von Grund auf zu sanieren. Wie könnte ein demokratischer Prozess zu einem völkerrechtlichen Vertrag aussehen? Als ersten Schritt könnte die souveräne (= über allem stehende) Bevölkerung ihrer direkten Vertretung via Verfassung ein „Rahmenmandat“ für völkerrechtliche Verhandlungen erteilen, das in Form von übergeordneten Zielen verankert wird, zum Beispiel: Nachhaltigkeit, Verteilungsgerechtigkeit, Respekt der Menschenrechte inklusive der ILO-Arbeitsnormen, Schutz der Regionalität und kulturellen Vielfalt.

Auf dieser Basis kann das (EU-)Parlament (nicht der Rat!), die Aufnahme von Verhandlungen beschließen, jedoch nur, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Ein erteiltes Mandat wird deshalb vom Verfassungsgerichtshof (EuGH) geprüft. Widerspricht es dem Rahmenmandat in der Verfassung/im EU-Vertrag, erlischt es sogleich wieder. Ist das Ergebnis der Prüfung positiv, kann der Verhandlungsprozess starten, allerdings nur transparent und partizipativ nach klaren Spielregeln. Das Ergebnis der Verhandlungen wird derjenigen Instanz, in deren Namen verhandelt wird, zur Entscheidung vorgelegt. Nur wenn der Souverän zustimmt, kann der Vertrag in Kraft treten.

In Demokratien sollte eine solche Vorgangsweise eine Selbstverständlichkeit sein. In echten Demokratien sollten die Verfassungen von der Bevölkerung geschrieben werden und nicht von ihrer Vertretung. Das wäre die Urtrennung der Gewalten: die Verfassung vom Volk, die Gesetze, die den Verfassungswillen ausführen, von der Vertretung. Der Zufall will es, dass ein historisch günstiges Datum ansteht, um Österreich mit einer ersten demokratischen Verfassung auszustatten: Der 100. Geburtstag der heute noch gültigen „Kelsen-Verfassung“. Wir haben die Wahl: Neben TTIP werden uns auch CETA, TiSA und viele weitere Unfreihandelsabkommen aufgenötigt – oder wir errichten endlich eine souveräne Demokratie!

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Herbert Erregger

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Regina Spießberger

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