Es war eines jener Ereignisse, die in Wien mittlerweile so alltäglich geworden sind wie der abendliche Verzehr von Spritzwein und Liptauerbroten beim Heurigen. Die Polizei schildert die Handlung so:
„Am 29.08.2015 konnte um 03.00 Uhr früh ein mutmaßlicher Schlepper durch Beamte des Stadtpolizeikommandos Brigittenau festgenommen werden. Ein Zeuge hatte gegen 02.45 Uhr folgende Beobachtungen gemacht. Ein Klein-LKW mit ungarischen Kennzeichen stoppte im Bereich der Prater Hauptallee. Der Fahrer öffnete in weiterer Folge die seitliche Schiebetür des Kastenwagens und 20-30 im Laderaum befindliche Personen verließen den Transporter. Der Zeuge verständigte umgehend die Polizei und konnte dank seiner genauen Beobachtungen den Beamten am Notruf das Kennzeichen des KFZ nennen. Diese veranlassten umgehend eine Fahndung nach dem Fahrzeug. Eine Funkstreife entdeckte den Klein-LKW im Zuge der Fahndung an der Kreuzung Lassalleestraße/Vorgartenstraße und nahm die Verfolgung des KFZ auf. Trotz mehrerer Fluchtversuche gelang es den Polizisten den Kleintransporter auf der Reichsbrücke (Abfahrt Handelskai) zu stoppen. Der Fahrzeuglenker, ein 35-jähriger Mann, wurde festgenommen. Der Klein-LKW wurde sichergestellt.“
Keine große Sache also in Zeiten wie diesen, könnte man meinen, aber doch immerhin einer jener Verbrecher hopsgenommen und aus dem Verkehr gezogen, die viel zu viele Menschen auf viel zu engem Raum zusammenpferchen und damit deren Leben ernsthaft in Gefahr bringen, um ihren Gewinn zu maximieren.
Denn darüber, dass derartige Schlepperei ein widerliches Verbrechen ist, besteht ja spätestens seit der Tragödie von vergangener Woche auf der Autobahn A4 (71 Tote) allgemeine Übereinstimmung.
Oder besser: fast allgemeine Übereinstimmung. Denn der linke Autor und Aktivist Robert Misik, ein vor allem in den social media recht präsente Leitfigur seines Milieus, kommentierte die Festnahme des Schleppers auf der Reichsbrücke via „twitter“ so: „Denunziant verpfeift Fluchthelfer. Das ist auch Österreich. Der größte Schuft im Land, ist der Denunziant“
Wer Schlepper der Polizei meldet, ist ein Denunziant? Dieser eigentümlichen Logik Robert Misiks folgend sind jene Schlepper, die aus Geldgier massenhaft Menschenleben auf Spiel setzen, also in Wahrheit von humanitären Motiven inspirierte „Fluchthelfer“, so eine Art Caritas für unterwegs.
Jetzt wissen wir dank Robert Misik auch endlich, warum jene Schlepper, die vergangene Woche für die Tragödie an der A4 verantwortlich waren, so besonders viele Menschen in den Fleischtransporter gepfercht hatte. Offenbar handelte es sich um ganz besonders humanistische Fluchthelfer, die eben ganz besonders vielen Menschen völlig uneigennützig helfen wollten.
Sollten Sie, geschätzte Leser, also demnächst irgendwo einen Kleinbus sichten, in den Dutzende Menschen gepfercht worden sind, dann unternehmen Sie bitte nichts, es handelt sich dabei ja um ein zutiefst humanistisches Unterfangen. Sollten Sie dennoch die Polizei alarmieren, müssen Sie damit rechnen, von Robert Misik als „Denunziant, der größte Schuft im Land“ vorgeführt zu werden.