Wenn, was zwar noch nicht sicher, aber doch sehr wahrscheinlich ist, Griechenland demnächst weitere 80-90 Milliarden Euro an Krediten bekommt, dann wird ein Großteil dieses Geldes an die bisherigen Gläubiger wie etwa die Europäische Zentralbank oder den Weltwährungsfonds (IMF) zurückfließen.
Naive Gemüter stricken daraus die in letzter Zeit tagtäglich wiedergekäute Behauptung, die Hilfsgelder helfen nur den Banken, die Griechen hingegen hätten nichts davon. FPÖ-Chef H.C. Strache etwa begründete seine Ablehnung des jüngsten Hilfspaketes im Nationalrat am Freitag mit genau diesem Argument.
Er bewies damit vor allem eines: dass er nicht den geringsten Tau von Wirtschaft hat. Denn die Behauptung, „die Griechen“ hätten von all den Rettungspaketen nichts gehabt, ist purer Unfug.
Denn in Wahrheit ist (vereinfacht dargestellt) folgendes geschehen:
Schritt 1: Der griechische Staat gibt viele Jahre lang jedes Jahr mehr Geld aus als er einnimmt. Er reicht dieses Geld unter anderem an hunderttausende Beamte weiter, die niemand braucht, oder an Millionen von Pensionisten, die dadurch höhere Renten genießen können als in vielen anderen, auch wesentlich wohlhabenderen Ländern. Ein Geldschleier legt sich über das Land, fast alle profitieren irgendwie davon.
Schritt 2: Finanziert werden diese Zahlungen an die Griechinnen und Griechen durch Kredite, die Banken dem griechischen Staat gewähren.
Schritt 3: Irgendwann werden die Banken nervös, Griechenland kann nicht mehr zahlen und bekommt von den Banken keine neuen Darlehen mehr.
Schritt 4: Die Banken (und andere private Geldgeber) verzichten auf rund 100 Milliarden Euro im Wege eines sogenannten Schuldenschnittes („Haircut“). Das heißt: in diesem Moment übernehmen die Banken und privaten Gläubiger die Kosten jener Transferzahlungen, mit denen die Regierung Beamte und Rentner bei Laune gehalten hatte.
Schritt 5: Aber weil auch dieser Schuldenschnitt nicht reicht, borgen nun die anderen EU-Staaten, die Europäische Zentralbank und andere Institutionen der Athener Regierung Geld, damit die ihre verbleibenden Kredite bei den Banken begleichen kann und nicht pleite geht. Deshalb hat Athen jetzt kaum noch Schulden bei Banken und Privaten, sondern fast ausschließlich bei den anderen EU-Staaten. Und damit bei den dortigen Steuerzahlern.
Nun stimmt schon, dass auf diesem Wege auch „die Banken“ vor (noch) gröberem Ungemach gerettet worden sind.
Trotzdem sind jene hunderte Milliarden, die heute Griechenlands Schulden darstellen, ursprünglich zum Großteil bei den Griechinnen und Griechen gelandet. Zu behaupten, die hätten von diesen Krediten nie etwas gehabt, ist daher Unfug.
Wer das noch immer nicht glaubt, möge sich bitte folgendes vorstellen: Ein Sohn gibt laufend mehr Geld aus, als er einnimmt, und finanziert sich seinen viel zu teuren Lebensstil mit immer höheren Krediten. Bis eines Tages die Bank die Kredite fällig stellt. Sie droht damit, ihn zu pfänden, seine Wohnung auszuräumen, ihn auf die Straße zu setzten und ihm alles wegzunehmen, was nicht niet- und nagelfest ist.
Doch sein Vater hilft ihm, indem er dem Sohn so viel Geld borgt, dass der all seine Kredite zurückzahlen kann. Natürlich freut das die Bank, vor allem aber rettet der Vater damit den Sohn – und nicht die Bank – vor dem völligen Absturz ins Nichts. Und sollte der Sohn, was absehbar ist, dem Vater das Darlehen nicht zurückzahlen, dann hat natürlich letztlich der Vater am Umweg über die Bank den jahrelangen Überkonsum des Sohns finanziert.
Nicht anders verhält es sich mit Griechenland und seinen Gläubigern. Eigentlich doch gar nicht so schwer zu kapieren.