Der Staat, behauptete der ÖVP-Staatsekretär Harald Mahrer am Sonntag in einem interessanten Interview mit der „Presse“, „zockt uns alle ab“.
Das ist erstens natürlich leider richtig und zweitens insofern bemerkenswert, als Harald Mahrer ja Mitglied jener Bundesregierung ist, die für den von ihm zu recht inkriminierten Tatbestand verantwortlich ist. Mehr noch: An einen Finanzminister, der nicht der ÖVP zuzurechnen ist, können sich heute in Österreich nur mehr betagtere Zeitgenossen erinnern, die Partei Mahrers hätte also schon längst abstellen können, was den Staatssekretär heute so empört.
Hat sie aber nicht, wie wir wissen.
Harald Mahrers politische Bewusstseins-Spaltung ist charakteristisch für seine Partei. Regelmäßig kommen da von den höchsten Chargen der ÖVP grundvernünftige Forderungen – etwa nach weniger Staat, weniger Steuern oder weniger Regulierung – denen man höchst erfreut zustimmen könnte. Nur blöd, dass diese ÖVP seit einem gefühlte Jahrhundert regiert oder mitregiert und deshalb für einen erheblichen Teil jener Missstände, die sie heute mit Recht anprangert, Mitverantwortung trägt.
Ganz besonders gilt das für die Wirtschaftspolitik. Da kommt keine Rede eines ÖVP-Politikers aus ohne einen Hinweis auf die Unternehmerfeindlichkeit, die irre hohe Abgabenlast und die wild wuchernde Bürokratie aus – während die gleiche ÖVP bei nahezu jeder neuen unternehmerfeindlichen Maßnahme, bei jeder Erhöhung der Abgabenlast und jedem Ausbau der wild wuchernden Bürokratie mit von der Partie war.
Zu glauben, dass jene ÖVP, die nach Bekunden ihres eigenen Staatssekretärs nicht verhindern konnte, dass uns „der Staat abzockt“ nun plötzlich in Zukunft genau dieses abstellen wird – das erfordert deutlich mehr Naivität, als einem erwachsenen Menschen zusteht.
Das sehen auch immer mehr Wähler so, gerade kleinere Unternehmer und Selbständige, die sich nur mehr gepflanzt vorkommen, wenn wieder einmal ein ÖVP-Politiker verspricht, ihre Interessen zu vertreten. Die glauben den Schwarzen einfach nicht mehr, dass sie plötzlich wirklich in der Realpolitik umsetzen, was sie in den Sonntagsansprachen so versprechen.
Die ÖVP hat da mittlerweile ein veritables Glaubwürdigkeitsproblem. Sie wirkt ein wenig wie ein kettenrauchender Arzt, der seine Patienten vor den Gefahren des Tabakkonsums warnt und zur diesbezüglichen Enthaltsamkeit mahnt.
Es stimmt: der Staat zockt uns alle ab. Jetzt brauchen wir nur noch eine Partei, die dieses Problem nicht beschreibt, sondern es löst.