Der Bub war vielleicht zehn Jahre alt, doch sein Stolz war nicht zu übersehen. „Wenn Du kein Moslem bist,“ stellte er sich mir am vergangenen Donnerstag selbstbewusst in den Weg, „darfst Du hier nicht hinein“.
Hier, das ist der Platz vor dem Felsendom am Tempelberg in Jerusalem, ein gläubigen Juden wie gläubigen Muslimen ganz enorm heiliger Ort. Die Lage dort ist derzeit einigermaßen heikel, seit vor wenigen Wochen eine Welle von Terroranschlägen gegen Juden in der Hauptstadt Israels einige Menschenleben gekostet hat; schon ist von einer „Jerusalemer Intifada“ die Rede. Dementsprechend massiv wird der Tempelberg von den israelischen Sicherheitskräften geschützt – an jeder Ecke schaut man in den Lauf eines Gewehres, eine eher gewöhnungsbedürftige Sache.
Dass mir das arabische Kind den Zutritt zum Felsendom – der zwar so heißt, aber eine Moschee ist – nicht nur verwehrte, sondern so sichtlich stolz verwehrte, ist zwar eine mäßig bedeutende Anekdote aus einer an wesentlich härteren Geschichten nicht armen Gegend, wirft aber eine interessante Frage auf.
Denn der Knabe hatte ja irgendwie recht: Nichtmuslimen wird das Betreten von Felsendom und der benachbarten Al-Aksa-Moschee von den Gläubigen verwehrt, und zwar nicht nur etwa während der Gebetsstunden, sondern ganz grundsätzlich; würde man es trotzdem probieren, wären wohl gröbere Ärgernisse die Folge.
Das ist insofern bemerkenswert, als kein Mensch am Eingang der Peterskirche in Rom, des Wiener Stephansdoms oder einer der prächtigen Prager Synagogen je gefragt wurde, welcher Religion er oder sie angehört; wer sich nicht gerade grob daneben benimmt, ist in jedem christlichem oder jüdischen Gotteshaus willkommen. (Von der heiteren Offenheit, mit der Mönche in Asien den Fremden empfangen, wollen wir in diesem Zusammenhang überhaupt lieber ganz schweigen)
Nur die Muslime sehen das ganz offensichtlich anders; und zwar nicht etwa nur in Mekka, wo ja bekanntlich ganz besonders radikale Anhänger der Religion des Friedens zu Gange sind, sondern eben auch im vergleichsweise weltlichen Jerusalem.
Da stellt sich schon die Frage: was ist eigentlich mit einer Religion – und ihren Anhängern – los, die im Gegensatz zu allen anderen Religionen am Eingang zu ihren wichtigsten Gotteshäusern zwischen Menschen erster und Menschen zweiter Klasse selektiert? Und was ist mit einer Religion los, die Anders- oder gar Ungläubige offenkundig für so unrein hält, dass sie sie nicht einmal eine so bedeutende Moschee von innen ansehen lassen will? Und was ist mit Eltern los, die ihren Kindern offenbar schon mit der Säuglingsmilch das Gefühl einer mehr als unbegründeten Überlegenheit einflößen, die mit den tatsächlichen Erfolgen ihrer Kultur nicht wirklich korrespondiert? Und wie, bitte, haben wir uns ein Europa vorzustellen, in dem vielleicht einmal in fernerer Zukunft der Islam auch nur annähernd so viel Gewicht hat wie am Tempelberg?
Übrigens: die Vertreter der Muslime Europa beklagen immer wieder die mangelhafte „Willkommenskultur“ der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft. Die muslimischen Vorstellungen von „Willkommenskultur“ sind am Tempelberg in Jerusalem zu besichtigen.