Warum den Griechen ziemlich egal sein kann, ob Corinna mit ihren Anleihen Profit macht oder nicht....

In Griechenland verarmen die Menschen, während sich Spekulanten und Finanzhaie eine goldene Nase verdienen – diese Erzählung geistert unverdrossen durch die Medien, seit Griechenland pleite ist.

Besonders gekonnt präsentierte diese Geschichte meine geschätzte Kollegin Corinna Milborn in einer flotten Reportage, die in den sozialen Netzwerken kursiert und bei den meisten Lesern begeisterte Zustimmung auslöst. Darin beschreibt Milborn, wie sie 2012, kurz vor dem ersten Schuldenschnitt, im Zuge eines journalistischen Eigenversuchs eine kleine Menge griechischer Staatsanleihen gekauft hat. Jedermann wusste damals, dass die Griechen ihren Gläubigern nur einen Teil des Nennwerts dieser Anleihen zurückzahlen würden („Haircut“), die Papiere waren also dementsprechend billig zu haben. „Im Jänner 2012 kaufte ich griechischen Staatsanleihen im Nominalwert von 1000 Euro,“ berichtet Milborn,  (weniger ging nicht) und zahlte dafür den Tageskurs von 411 Euro.“

Kurz darauf verkündete Athen wie erwartet den Schuldenschnitt, die Gläubiger verlieren rund die Hälfte des Nennwertes ihrer Anleihen.

„Und wie viel Geld habe ich Mini-Heuschrecke nun beim Schuldenschnitt verloren?,“ fragt sich Milborn neugierig.„Die Antwort auf meinem nächsten Konto-Auszug zeigt: gar keines. Der Schuldenschnitt lag bei 53 Prozent - die Gläubiger erhielten beim Anleihentausch also 47 Prozent des ursprünglichen Wertes ihrer Anleihen. Gezahlt hatte ich nur 41 Prozent.... Ich hatte also in acht Wochen etwa 15 Prozent Gewinn - eine schöne Heuschreckenrendite. Trotz Schuldenschnitt.“

Ein Skandal angesichts der Zustände in Griechenland, denkt sich da wohl jeder Leser. Woher kommt dieser fette Gewinn nun?

„Um selbst festzustellen, wer meine (...) Rendite zahlen werde müssen, fuhr ich Mitte Februar 2012 nach Athen. Was mich dort erwartete, übertraf meine schlimmsten Erwartungen. Athen, bei meinem letzten Besuch eine blühende Stadt, war innerhalb von zwei Krisenjahren auf den Stand eines Entwicklungslandes abgerutscht....“

Gekonnt beschreibt Milborn nun das Elend, das sich in Griechenland ausgebreitet hat. Und:„Ich beginne zu verstehen, warum Hedgefonds-Manager sich nicht in Suppenküchen, Kliniken und auf Demonstrationen herumtreiben. Den Preis für die schöne Rendite meiner kleinen Anleihe so vor Augen zu haben, ist nicht gerade erfreulich....“

Für jeden nicht wirtschaftskundigen Leser wird, auch wenn die gescheite Milborn das so nicht formuliert, der Zusammenhang klar: jenes Geld, das die Heuschrecken verdient haben, stammt von den Armen in Griechenland, hier wird brutal von unten nach oben umverteilt.

Das Problem an dieser weit verbreiteten Weltsicht ist, dass sie ziemlich faktenfrei ist.

Denn jener in der Tat erstaunliche Gewinn, den die kleine Forschungs-Heuschrecke Milborn in dieser Situation gemacht hat, stammt ja (vereinfacht skizziert) von jenem Marktteilnehmer, in aller Regel eine andere „Heuschrecke“, der seine Anleihen seinerzeit und wie sich schnell gezeigt hat zu billig an Millborn verkauft hatte. Ihr Gewinn ist sein Verlust, der Profit der einen Heuschrecke ist der Verlust der anderen Heuschrecke.

Den Griechen hingegen kann völlig gleichgültig sein, welche Spekulanten welchen anderen Spekulanten so Geld abnehmen – sie werden davon weder ärmer noch reicher.

Einen Zusammenhang zwischen dem von Milborn so plastisch beschriebenem Profit gibt es also nicht im Geringsten, und deshalb haben griechische Suppenküchen auch nichts mit der Kursentwicklung griechischer Staatsanleihen zu tun.

Aber gegen Emotionen haben Fakten leider noch nie geholfen; nicht nur in Griechenland.

Quellen: Milborn dazu auch auf FischundFleisch:

https://www.fischundfleisch.com/blogs/wirtschaft/ich-bin-ein-opfer-des-letzten-griechischen-schuldenschnittes-und-bin-fuer-einen-neuen.html

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/europa/europaeische_union/?em_cnt=760048&em_cnt_page=2

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