In Österreich genießt, jedenfalls der staatlichen Propaganda zufolge jeder, ganz unabhängig von seinem Einkommen, im Fall des Falles die gleiche hochwertige medizinische Behandlung. Eine Zweiklassenmedizin gibt es bei uns nicht. Angeblich.
Was das in der Praxis bedeutet, hat mir kürzlich ein aufgebrachter Leser geschrieben: „Normaler Ablauf in Österreich: Mit einem chronisch kranken Kleinkind von einem Kassenarzt zum anderen (natürlich im vorgeschriebenen Quartalsintervall…), überall nach zwei Minuten Anamnese und dreißig Sekunden “mal anschauen” das Vertrösten auf später, wenn es denn schulreif wird. Vorher muss man nix machen.Nach mehreren akuten und zum Teil extrem schmerzhaften Krankheitsschüben entnervt zu einem privaten Facharzt – eine halbe Stunde Zeit für Untersuchungen, noch eine für die Beratung, was zu tun sei: sofortige OP. Jede noch so kleine Verzögerung kann zu schlimmen Schäden für den Rest des Lebens eines immerhin erst Vierjährigen führen. Außerdem sind die Schmerzen für ein Kleinkind traumatisierend, ebenso wie das permanente Abfüllen mit Schmerzmitteln auf Dauer die Leber mehr ruiniert, als wenn der Kleine jeden Abend ein Achterl zum Wurstbrot trinken würde.Der Wahlarzt operiert nicht selbst, schreibt aber gern eine Überweisung an ein LKH unserer Wahl.Dann die Nachfrage bei drei KH; Wartezeit zwischen 5 und 7 Monaten!!Zur Absicherung zu einem zweiten Facharzt, auch privat, der erstellt die gleiche Diagnose, kommt zum gleichen Ergebnis: unverzüglich operieren!Auf unsere Nachfrage, wo dies geschehen solle, gibt er die Daten eines Kollegen weiter, der auch privat operiert.Noch eine Untersuchung, noch einmal die gleiche Diagnose. Dass inzwischen die Kasse keinen Cent mehr zahlt, ist klar. So viele Ärzte braucht kein Patient, sagt die Kasse. Und die kennt sich aus.Kontaktaufnahme, Terminvereinbarung im Privatspital, OP nach 10 Tagen.Preis über dreitausend Euro.Es gibt keine Zweiklassenmedizin in Österreich!Es sind nämlich drei: Normalpatient im staatlichen Krankenhaus, Sonderklasse für Zusatzversicherte im staatlichen Krankenhaus und Selbstzahler in der Privatklinik.“
Nun mag das nicht immer so sein, aber dergleichen ist auch kein Einzelfall, dazu berichten nämlich zu oft Patienten von meist weniger gravierenden, aber tendenziell recht ähnlichen Erfahrungen mit der Praxis der vermeintlich klassenlosen Medizin in diesem Lande.
Vor allem da, wo es nicht unmittelbar um Tod oder Leben geht, werden die im staatlichen System versicherten Patienten mehr oder weniger subtil dazu gedrängt, private Mediziner („Wahlärzte“) privat zu bezahlen.
Frauen berichten zum Beispiel immer öfter, dass Termine beim Kassen-Gynäkologen erst nach monatelangen Wartezeiten erhältlich seien, was vor allem berufstätige Frauen dazu benötigt, eben einen Privatarzt zu konsultieren – was den Krankenkassen jede Menge Kohle erspart, aber die Behauptung von der klassenlosen Medizin nicht eben glaubwürdiger macht. Das gleiche Phänomen ist in immer mehr Bereichen der Medizin zu beobachten – wenn Sie es nicht glauben, versuchen Sie mal in Wien einen ausführlichen Termin bei einem Augenarzt zu Kassentarif in der überschaubaren Zukunft zu bekommen oder eine halbwegs zeitgemäße Zahnprothese ohne tiefen Griff in die Tasche.
Dass sich wohlhabendere Menschen eine bessere und schnellere medizinische Versorgung leisten können, liegt in der Natur der Sache. Dass die Politik dies entgegen allen Fakten bestreitet, ohne dabei rot zu werden vor Scham heißt, dem Wähler zum Schaden auch noch den Spott zu bereiten.
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