Würden Sie eigentlich für 200 Euro im Monat einen anstrengenden Vollzeitjob annehmen?

Als Paar mit zwei kleinen Kindern von 1.800 Euro pro Monat auskommen zu müssen, gehört vermutlich jetzt nicht zu den wirklich luxuriösen Lebensentwürfen. Da muß man schon ganz schön darauf sehen, was man sich gerade noch leisten kann – und, vor allem, was nicht.

Deshalb klingt es wohl auf den ersten Blick reichlich herzlos, wenn der Chef des österreichischen Arbeitsmarktservices (AMS), Johannes Kopf,  kurz vor Ostern behauptet, die sogenannte Mindestsicherung – im Falle einer vierköpfigen Familie derzeit jene besagten 1.800 Euro monatlich – wären zu hoch und sollte nach unten adjustiert werden.

Eine Forderung, angesichts der vermutlich dem Einen oder Anderen das dringliche Bedürfnis gekommen sein wird, sich auf der Stelle zu übergeben – ausgerechnet bei den Schwächsten noch weiter zu sparen, das ist ja wohl ein neuen Höhepunkt neoliberaler Barbarei.

Interessanterweise am wenigsten empören dürfte ein solche Forderung freilich eine andere Gruppe sozial eher schwächerer Menschen, nämlich all jene, die mit einem ganz normalen Vollzeitjob auch nicht mehr als 1.800 Euro netto im Monat nach Hause bringen und davon auch einen Partner und zwei kleine Kinder erhalten müssen. Verglichen mit dem Mindestsicherungsbezieher arbeiten diese Menschen nämlich umsonst, weil Ihnen ihre 160 Stunden Arbeit pro Monat nämlich keinen Cent mehr bringen als die Grundsicherung. Gerecht ist das nicht eben zu nennen.

Das Bild wird auch nicht besser, wenn sich diese Menschen noch mehr anstrengen und deshalb etwas mehr verdienen. Wer es zum Beispiel in dieser Situation auf 2.000 Euro netto bringt – in Österreich garn nicht so besonders übel – darf sich darüber freuen, für 40 Arbeitsstunden pro Woche ganze 200  Euro mehr als der Kollege  von der Mindestsicherung zu lukrieren.

Ein guter Deal sieht anders aus.

Und dabei haben wir in dieser Rechnung noch nicht einmal bedacht, dass der eine oder die andere Mindestgesicherte angesichts der erheblichen Tagesfreizeit vielleicht noch ab und zu einen kleinen, höchst informellen Job nach Art der sogenannten Nachbarschaftshilfe, wo Rechnungen als anstößig gelten und brutto gleich netto heißt. Legale Arbeit wird angesichts dieser Alternative zu einer Angelegenheit , die nur für Vollidioten, fiskalische Masochisten oder andere schräge Vögel interessant ist, nicht jedoch für eine rational agierende Person.

Das heißt: in der hier beschriebenen familiären Konstellation ist der Anreiz für einen Elternteil, die 1.800 Euro Grundsicherung gegen einen gleichen oder nur unwesentlich höher dotierten Job zu tauschen, nicht einmal mit der Lupe auszumachen. Und jetzt reden wir noch gar nicht von jenen zahlreiche Jobs, wo man noch weniger als diesen Betrag verdient.

Das wiederum heißt: unsere Grundsicherung, so sozial sie allgemein empfunden wird, leistet einen spürbaren Beitrag dazu, dass die Arbeitslosigkeit steigt und nicht sinkt. Und das ist nicht sozial.

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Martin P.

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