Warum so viele Menschen Texte nicht mehr sinnerfassend lesen.

Wir sind berechtigt besorgt, dass unsere Kinder und Jugendlichen große Schwierigkeiten bei der Bearbeitung und dem Verständnis von geschriebenen Texten haben könnten. Dabei geht es nicht nur um Grammatik, Rechtschreibung und Stil. Sondern auch im großen Maß um die richtige Aufnahme des Inhaltes. Und es sind nicht nur die Kinder und die Jugend, denen dieses Textverständnis in vielen Fällen fehlt. Vermutlich gibt es dieses Phänomen der mangelnden Sinnerfassung schon wesentlich länger, doch erst in den letzten Jahren wurde es durch das Internet deutlich sichtbar. Jeder kann heute überall seine Texte veröffentlichen oder Kommentare zu veröffentlichten Texten abgeben, egal ob sie passen oder nicht. Als Autorin auf meinen beiden Blogs und auch auf anderen Plattformen mache ich nur allzu oft die Erfahrung, dass Leser oft nicht einmal über die Headline hinauslesen oder den Text in keiner Weise verstanden haben. Wobei ich sehr darauf bedacht bin, meine Artikel in einer gut verständlichen Sprache zu schreiben. Ich vermeide bewusst seltene Fremdwörter. Wenn ich Fachausdrücke verwende, erkläre ich sie mit kurzen Worten. Auch inhaltlich bin ich bemüht, zwar wertvoll und informativ zu schreiben, aber mich nicht in komplizierten Texten zu verlieren.

Trotzdem kommen mir immer wieder Kommentare unter, die bei mir Kopfschütteln auslösen. Seit vier Jahren schreibe ich über meine Esseinschränkung, hervorgerufen durch meine Krebserkrankung, auf meinem Blog. Dort veröffentliche ich vorwiegend Rezepte, die Menschen mit Kau- und Schluckstörungen angepasst sind. Dazwischen erzähle ich ab und dann von meinem Leben mit dieser Behinderung. Schon auf der Startseite findet man sehr eindeutige Erläuterungen zum Thema meines Foodblogs. Trotzdem passiert es relativ häufig, dass mich LeserInnen anschreiben, sie würden mir schon seit ewigen Zeiten folgen und erst jetzt bemerkt haben, worum es eigentlich ging. Und ich mache kein Geheimnis um meine Einschränkungen und meine Ernährungsweise, ganz im Gegenteil, darum verwundern mich solche Feststellungen immer sehr. Es stellt sich für mich natürlich schon auch dir Frage, ob ich noch offensiver die Thematik aufzeigen soll.

Viel mehr beschäftigt mich aber die Tatsache, dass gerade bei Artikeln, die die Flüchtlingssituation beschreiben unglaubliche Lesedefizite bei Kommentaren besonders bei Facebook zu Tage kommen. Hier auf Fisch und Fleisch gibt es zwar kritische Stimmen, die mir persönlich oft nicht sonderlich behagen und es kommt selten vor, dass ich meine Inhalte nochmals erklären muss. Was jedoch auf FB teils an Tatsachenverdrehungen und Fehlinterpretationen geliefert wird, ist wirklich unfassbar.

Vor geraumer Zeit habe ich über meine Erfahrung mit meinen Sprachtrainees berichtet und geschildert, was einige von ihnen heute machen. Nämlich, dass sie einen Aufenthaltsstatus erlangt haben, teils in eigenen Wohnungen leben und diese durch bezahlte Arbeit auch selbständig bezahlen können. Obwohl ich betont hatte, dass ich als ehrenamtliche Sprachtrainerin tätig bin, kam mehrfach die Frage, weshalb die Allgemeinheit für meine Deutsch-Stunden aufkommen muss. Genauso wie gefragt wurde, warum die Menschen überhaupt Deutsch lernen sollten, wo man doch nicht wüsste, ob sie hierbleiben dürften. Nach meinem Wissen dürfen anerkannte Flüchtlinge im Land bleiben. Das sind nur ganz kleine Ausschnitte als Beispiele, die man endlos fortführen könnte. Auch kamen vermehrt Fragen, weshalb wir Steuerzahler für die Wohnungen meiner Trainees aufkommen müssten. Den Hinweis, dass fast alle arbeiten würden, haben die Kommentatoren geflissentlich überlesen oder ignoriert.

Was ich mir besonders auffällt, Texte, die kritische Themen behandeln werden oft mit großen Emotionen gelesen, was offenbar dazu führt, dass die Leser ihre eigenen Gefühle in fremde Texte interpretieren. Man verliert offenbar die klare Sicht auf den Inhalt und reimt sich seinen eigenen Gedanken aus den gelesenen Worten zusammen. Am Ende hat der Leser vermutlich etwas vollkommen anders aufgenommen, als der Text ausgesagt hat. Dass aber dann auch noch Kommentare veröffentlicht werden, die dem Schreiber Dinge unterstellen, die in keiner Weise der Wahrheit entsprechen, wird oft von den Kommentarlesern mehr wahrgenommen als der Text selber. So hat mir tatsächlich jemand vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen, unterstellt, ich würde junge Frauen für meine Sprachtrainees für sexuelle Handlungen suchen, weil ich selber nicht mehr dazu in der Lage wäre. Ich empfinde als Autorin solche Kommentare nicht nur als absolute Zumutung, sondern auch sehr kränkend, denn man macht sich große Mühen einen guten, inhaltlich wertvollen Text mit Informationen zu liefern und findet dann derartigen, stumpfsinnigen Mist, der eindeutig zeigt, dass Menschen nicht mehr ganze Inhalte lesen, sondern bei einigen Keywords, wie Flüchtling, nur mehr hasserfüllte Statements abgeben. Es ist für mich mit ein Grund, Kommentare zu Artikeln, die auf Facebook geteilt werden, nicht mehr zu lesen.

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Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 16.05.2016 10:46:18

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 15.05.2016 23:20:14

Hansjuergen Gaugl

Hansjuergen Gaugl bewertete diesen Eintrag 15.05.2016 18:25:13

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