Barrierefrei Essen ist die Bezeichnung die ich meiner Kostform gegeben habe. Es beschreibt in meinen Augen sehr gut, dass meine Nahrung eine andere Form haben muss, als die bei uns herkömmliche. Auf meinem Speiseplan stehen dicke Suppen, Mousses, Parfaits, Breie, weiche Pasteten, Joghurts, Topfen, Frischkäse und wenn ich gute Tage habe, dann auch Tatars von Fisch und Fleisch. Die Liste der Nahrungsmittel die ich nicht mehr zu mir nehmen kann, ist endlos lang, grob umrissen zählen dazu Reis, Nudeln, Salate, festes Gemüse, dünne Suppen und Fleisch.

Meine Esseinschränkung stammt von meiner Krebserkrankung in der Mundhöhle und hat viel Ähnlichkeit mit Einschränkungen bei Menschen nach Schlaganfällen, mit Demenz, Parkinson, schlecht sitzenden Zahnprothesen, nach Kieferoperationen oder weil die Menschen schlichtweg alt sind und die Kaukraft fehlt.

Durch diese Behinderung bin ich auch im Besitz eines Behindertenausweises mit 100%. Dass ich zusätzlich schlecht höre, an PNP leide und nach wie vor von meinem Chemobrain begleitet werde, spielt für mich keine wirklich große Rolle, ich habe gelernt damit umzugehen. Auch meine massiven Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme sind für mich Alltag und begleiten mich ständig. Ich fühle mich nicht wirklich behindert, aber ich habe dadurch einen besonderen Bedarf. Oftmals bezeichne ich diesen Zustand als *besonderes Bedürfnis*, denn ich bekomme ohne Voranmeldung auswärts kaum ein annehmbares Essen.

Auf Speisekarten finden sich im Normalfall vielleicht zwei oder drei Speisen, die ich ohne Umbestellung ordern kann, was aber noch lange nicht heißt, dass ich sie auch essen möchte. Auch wenn ich privat eingeladen werde, nehmen meine Gastgeber in den allermeisten Fällen auf mich Rücksicht. Trotzdem passiert es mir manchmal, dass ich mich mit Proviant auf den Weg mache, weil es weder in Zügen, noch in Flugzeugen Essbares für mich gibt. Ab und dann verlasse ich eine Veranstaltung mit knurrendem Magen, weil es zwar ein opulentes Buffet gab, aber ohne barrierefreien Speisen.

Ich weiß durch viel Recherchearbeit, dass ein nicht ganz geringer Teil an solchen Beschwerden laboriert, in kleinerem und auch noch größeren Ausmaß, nur trifft man diese Menschen selten in der Öffentlichkeit. Ich bin mir auch sicher, dass in wenigen Jahren dieses Thema wesentlich besser integriert sein wird, weil unsere Gesellschaft immer älter wird und diese Einschränkungen sich verstärken werden.

Meine Hoffnung besteht vor allem darin in der Gastronomie mehr Gehör zu finden, deshalb bemühe ich mich seit letztem Jahr vermehrt um Gespräche und Austausch mit Menschen aus dem Gastro– und auch Tourismusbereich. Meine Erfahrungen sind diesbezüglich wirklich sehr wertschätzend und ich freue mich, damit oft auf offen Ohren zu stoßen. Ich gebe meine Erlebnisse auf meinem Blog in einereigenen Rubrik weiter und seit neustem gibt es ein Projekt mit dem SalzburgLand Tourismus, bei dem ich als Betroffene Lokale empfehle.

Ich spreche in meinen Artikeln von *besonderen Bedürfnissen* und schon nach der Veröffentlichung des ersten Artikels wurde ich wegen dieses Ausdruckes kritisiert. Ich erfahre diese Kritik nicht zum ersten Mal. Von Seiten von Menschen die sich sehr vorbildlich um Belange von behinderten Menschen einsetzen, höre oder lese ich, dass dieser Ausdruck nicht der Inklusion dient. Es gibt unzählige Abhandlungen zu diesem Thema, nur bin ich der Meinung, solange ich in Restaurants oder sonstigen Speiselokalen explizit auf mein Problem hinweisen muss, habe ich im Vergleich zu anderen Gästen ein besonders Bedürfnis, oder auch Bedarf.

Die Forderung Essen für die Bedürfnisse für alle Menschen zu machen halte ich für schlicht unmöglich. Oft wird mir dann als Vergleich das Behinderten-WC genannt. Ja es ist richtig, als Nichtbehinderte kann ich ein Behinderten-Klo benützen, umgekehrt geht es meist nicht. Ob jedoch die Mehrheit der Restaurantbesucher damit zufrieden wäre, wenn es nur mehr barrierefrei Gerichte auf allen Speisekartengeben würde, das möchte ich stark bezweifeln. Deshalb erlaube ich mir auch in Zukunft, meinen Wunsch nach besondere Essenszubereitung nicht nur barrierefrei, sondern auch als besonders zu bezeichnen. Vielleicht findet sich eine andere Erklärung meine Ernährungsform zu benennen.