Krebs und befristete Pension; Segen und manchmal Fluch

Der größte Teil an Krebspatienten ist bereits in Pension, weil Krebs meist im Alter auftritt. Jüngere Menschen haben oft wieder die Möglichkeit nach Therapieende, oder auch manchmal noch während der Therapie an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Je nach Behandlung verbringt man aber häufig Monate im Krankenstand und danach entscheidet sich der weitere berufliche Verlauf.

Ich bin seit drei Jahren in Berufsunfähigkeitspension. Zum zweiten Mal befristet auf 2 Jahre. Das bedeutet, dass ich auch heuer im Spätsommer wieder ziemlich unter Druck geraten werde. Denn dann steht wieder ein Termin zum Verlängern der Pension an. Ich habe diese Situation schon zweimal durchlebt. Obwohl ich psychisch sehr stabil bin, so fordert mich diese Prozedur ungemein. Von der Antragstellung bis zur Erledigung vergehen ungefähr drei Monate, die sich endlos hinziehen. Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass ich jemals in ein normales Berufsleben zurückkehren kann.

Rein optisch sieht man meine Behinderungen nicht. Ich habe auch seit geraumer Zeit wieder ein normales Gewicht, sprich, ich trage wieder Konfektionsgröße 36,manchmal sogar 38, im Vergleich zu Größe 32 oder 34, die mich lange begleitet und nicht gerade einen gesunden Eindruck vermittelt haben.

Mein sexy Sprachfehler und meine teils feuchte Aussprache sind nicht unbedingt für alle Berufssparten geeignet, besonders nicht für jene, in der ich ewige Zeiten tätig war.

Eines der größten Hindernisse ist meine Nahrungsaufnahme. Ich bin glücklich, dass ich überhaupt ohne Magensonde leben kann. Die hat mich lange genug begleitet und es war wirklich eine monatelange Arbeit sie wieder los zu werden. Die Zeichen standen lange genug auf *Sondennahrung für immer*. Nur ist es heute so, dass ich im Schnitt am Tag gut 5 Stunden zum Essen benötige. In welchem Job kann man sich den Luxus leisten, fünf Stunden beim Essen zu sitzen, es sei denn, man ist Restauranttester. Das wäre für mich eigentlich ohnedies ein passender Beruf, nur meine Anforderungen sind ein wenig eigenwillig.

Und neben dieser besonderen Nahrungsaufnahme hat sich leider auch meine Polyneuropathie dazu entschlossen, länger als üblich bei mir zu bleiben und es ist nicht absehbar, dass sie sich jemals von mir trennen wird. PNP bedeutet Nervenstörungen in Händen und Füssen, und das sind immer noch Nachwehen von einer sehr aggressiven Chemotherapie. Es fehlt mir sehr oft das Gefühl in den Fingerspitzen. Da kann es dann schon passieren, dass ich am Bankomaten meine Karte nicht mehr aus dem Schlitz ziehen kann, nicht mangels Deckung, sondern weil ich sie einfach nicht zu fassen bekomme. Immer wieder amüsant, dann einen Passanten zu bitten, in der misslichen Situation behilflich zu sein. Oft ist es mir unmöglich einen Stift in der Hand zu halten. Flaschendeckel aufschrauben und Knöpfe durch ein Knopfloch schieben können zu Schwerarbeit ausarten. Würde ich alle Tätigkeiten aufzählen, die meinen Alltag stark beeinträchtigen, dann würde ich die Grenze von 2000 Wörtern durchbrechen. Ich habe gelernt damit zu leben und vor allem auch im häuslichen Bereich zu delegieren. An einer Arbeitsstelle wäre das aber ziemlich schwierig.

Ja, und dann, dieses leidige Chemobrain, das sich oftmals wie Demenz äußert. Ich habe Wortfindungsstörungen die auch im geschriebenen Text auffallen. Grammatik- und Rechtschreibfehler muss ich wahrscheinlich gar nicht extra erwähnen. Manchmal gehe ich außer Haus und vor der Türe muss ich mich darauf konzentrieren, wohin ich überhaupt gehen wollte. Ich bin aber noch nie verloren gegangen, zumindest bin ich immer wieder nach Hause gekommen. Mit dieser Aufzählung und noch einigem mehr werde ich dann im Herbst wieder bei der PVA zur Überprüfung antreten. Ich war seit der letzten Kontrolle im Herbst 2013 auch wieder vier Mal stationär in der Klinik. Also, so möchte man meinen, lauter Gründe, die einer Verlängerung nur behilflich sein sollten. Trotzdem liegt die Entscheidung bei einem Arzt der mir nicht einmal in den Mund schauen wird und letztlich bei einer Kommission, die mich nie zu Gesicht bekommen hat.

Es war nicht mein Wunsch mit nicht einmal 50 Jahren in Pension zu gehen. Das habe ich t vielleicht mit 25 oder 30 kurz angedacht, aber nur mit dem passenden finaziellen Background. Die Realität sieht ja meist anders aus. Ich muss ja noch von großem Glück sprechen, dass ich eine für die Verhältnisse hohe Pension beziehe, weil ich in meiner Selbständigkeit viel in das System eingezahlt habe. Trotzdem ist es weniger, als der Durchschnittspensionist in Österreich erhält. Viele Menschen, die ich begleite leben tatsächlich von Mindestsicherung.

Ich hätte sehr gerne eine berufliche Reha in Anspruch genommen, die üblicherweise Menschen mit einer befristeten Pension zusteht. Nach Ansicht der PVA kann ich aber nicht mehr in ein geregeltes Arbeitsleben eingegliedert werden. Es stellt sich für mich die Frage, weshalb meine Pension, dann nur befristet ausgestellt wird. Was der Termin im Herbst dann bringen wird, das weiß ich nicht. Im schlimmsten Fall die Aberkennung der Pension, mit dem fürchterlichen Szenario der Arbeitslosigkeit, 53 Jahre alt, 100% behindert, seit vier Jahren aus dem Berufsleben. Tja….

Letztlich möchte ich aber sagen, wie froh ich bin, in diesem Sozialsystem zu leben. Man braucht nur  über die Landesgrenzen zu schauen. Auch in Europa befinden sich Menschen in meiner Situation wirklich am Rande der Gesellschaft. Nicht nur was die finanzielle Versorgung anbelangt, sondern auch die medizinische.

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Markus Andel

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