Ich wurde nicht mit einem Sprachfehler geboren, der ereilte mich im Zuge meiner lebensrettenden Zungenteilresektion. Das bedeutet, dass mir ein erheblicher Teil meiner Zunge entfernt und durch ein Stück Muskel und Haut aus meinem Unterarm ersetzt wurde. Ich spreche sozusagen mit meinem linken Unterarm und dass das nicht immer ganz verständlich ist, liegt irgendwie auf der Hand. Wenn man sich auf größeren Veranstaltungen mit kurzen Stichwörtern vorstellen soll, dann ist für mich immer eines der Stichwörter *sexy Sprachfehler*. Ja, das hat Wiedererkennungswert und ist durchaus als Vorteil zu bewerten. Ich persönlich habe mit meiner Sprachbehinderung kaum Probleme, ich höre mich ja gut verständlich, was für andere offenbar nicht immer der Fall ist. Es ist manchmal mühsam, seinen eigenen Nachnamen buchstabieren oder mit kurzen Worten erklären zu müssen. Am schwierigsten sind G und K, die klingen wie D und T, was so manches Wort ziemlich verhunzt und in der Bedeutung verändert. Da klingt dann Gurke ähnlich wie Türke, aus bloggen wird plotten und selbst an meinem Blognamen Geschmeidige Köstlichkeiten scheitere ich kläglich. All dies hat meist eine gewisse Komik an sich, die mich im Alltag nicht wirklich stört.
Tragisch ist jedoch sehr oft der Umgang meiner Mitmenschen mit meiner Sprachbehinderung. In unserer Gesellschaft wird leider eine deratige Einschränkung unbewußt häufig mit einer geistigen Behinderung verbunden. Dies erfolgt in mehreren Stufen. Zu Beginn eines Gespräches verstärkt sich die Lautstärke, das Gegenüber wechselt von Umgangssprache zu Hochdeutsch, dann reduziert sich der Wortschatz und zu schlechter Letzt, vermindert sich auch noch der Inhalt, und es wird einem vermittelt, man würde sich auf der geistigen Stufe eines Fünfjährigen befinden, oder der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig sein. Das hat mich lange sehr belastet, so wie die unbewussten Blicke die an mir haften blieben, wenn mein Gegenüber angestrengt nachdachte, woher denn diese Beeintächtigung stammen würde.
Ich hab für mich dafür entschieden mit meiner ehemaligen Erkrankung und ihren ganzen bleibenden Nachwirkungen offen umzugehen. Wenn ich in ein Gespräch komme, von dem anzunehmen ist, dass es über drei wertlose Sätze hinausgeht, dann erwähne ich gleich am Anfang, dass meine Spracheinschränkung von einer sehr seltenen Zungenkrebserkrankung herrührt, dass aber mein geistiger Zustand dadurch nicht beeinträchtigt ist. Ja, das erfordert Mut und auch ein wenig Selbstironie, aber es erleichtert nicht nur mir, sondern vor allem meinem Gesprächspartner eine unbeschwerte Unterhaltung. Ich sehe sehr oft, wie erleichtert mein Gegenüber durch mein kurzes Statement ist. Des Öfteren ergibt es sich, dass auch das Thema Krebs zum Gesprächinhalt wird. Ich würde mir wünschen, dass sich Menschen trauen würden, mich direkt zu fragen, denn sie beschäftigen sich ja offensichtlich mit meiner Einschränkung.
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Sprachbehinderungen sind übrigens ein Grund, weshalb sich viele Mundhöhlenkrebspatienten aus dem sozialen Leben zurückziehen.