Vor ziemlich genau vier Jahren ist mein Krebs damals noch nicht wissentlich in mein Leben getreten. Es begann mit zwei Goldinlays die mir im Frühling 2011 einfach aus den Backenzähnen fielen. Das war nicht so sonderlich ungewöhnlich, denn Goldfüllungen haben eine Lebensdauer von zirka 15 bis 20 Jahren, dann sollten sie ersetzt oder neu einzementiert werden. Ich bewahrte die beiden guten Stücke sorgfältig auf und kümmerte mich umgehend um einen Zahnarzt-Termin. Beschwerden oder Schmerzen hatte ich keine, ich hatte nur das Gefühl, dass ich mit den scharfen Zahnkanten öfters auf die Zunge biss. Das hinterließ eine kleine Wunde, wie man sie hinlänglich kennt, wenn man ungeschickt ins eigene Fleisch beißt. Somit nicht besorgniserregend. Den ersten Zahnarzt-Termin musste ich sowie weitere zwei Termine verschieben. Das zog sich bis in den Juli. Ich hatte auch weiterhin keine Probleme, bis auf die kleine Wunde, die nicht schmerzte, manchmal ganz versschwand und dann unverhofft wieder auftrat. Meine Erklärung waren nach wie vor die scharfen Zahnkanten. Ich gurgelte oder spülte bei Bedarf mit Salbeitee und deckte mich in der Apotheke mit einem Mittel für Schleimhautentzündungen im Mundbereich ein. Das kannte ich von meiner seligen Omi, die verwendete diese Tinktur, wenn ihre Prothese wieder einmal scheuerte.

Dann kam dieser verhängnisvolle Mittwoch im Juli. Ich war mit meinem Mann am Fuschlsee und aß zu Mittag ein Saiblings Filet. Plötzlich verspürte ich einen unglaublichen Schmerz im Bereich der der kleinen Wunde, der sich ungelogen augenblicklich durch meinen gesamten Körper zog, bis in die Zehenspitzen. Eine kleine Gräte hatte sich in der Mini-Wunde verheddert! Ich lief schweißgebadet Richtung Restaurant-Toilette und versuchte verzweifelt die Gräte zu entfernen. Es dauerte einige Minuten bis ich das kleine Teil aus meinem Mund entfernen konnte. Ich war körperlich total erschöpft und ging mit Tränen in den Augen zum Tisch zurück. Dieser Vorfall veranlasste mich umgehend meinen Zahnarzt zu kontaktieren. Natürlich war kein Termin in den nächsten Tagen frei, denn ich wollte ja eigentlich nur die Inlays neu platzieren lassen, um die scharfen Zahnkanten los zu werden. Aus welchen Gründen auch immer, ließ sich die Sprechstundenhilfe dazu überreden einen Spätnachmittags-Termin zu vereinbaren.

So landete ich an diesem Mittwochnachmittag gegen fünf Uhr auf dem Stuhl meines Zahnarztes. Bewaffnet mit den beiden Goldfüllungen. Ich wies ihn kurz auf die kleine wunde Stelle hin, was in veranlasste unmittelbar in der nahe gelegenen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie anzurufen, um sofort einen Termin zu vereinbaren. Laut seinen Worten sollten das die Spezialisten in der Klinik abklären. Keine Viertelstunde später befand ich mich bereits im Ambulanzbereich der MKG und wurde von einem der Oberärzte erwartet. Dann ging alles sehr schnell, so schnell, dass ich eigentlich gar nicht mitbekam, worum es hier eigentlich ging. Veränderung der Schleimhaut im hinteren Zungenbereich, diese Wörter blieben hängen, fühlten sich jedoch keinesfalls bedrohlich an. Ich versuchte klare Gedanken zu behalten und die Situation souverän zu meistern. PET-CT und MRI wurden in den Raum gestellt, auch das Wort Biopsie fiel im Gespräch. Es stellt sich schnell heraus, dass es teilweise Wochen dauern würde, bis all diese Untersuchungen durchgeführt werden konnten. Ich wollte natürlich sofort eine Diagnose erfahren, ohne nur ein einziges Mal an ein malignes Karzinom zu denken. Ich brachte diverse Verbindungen, die ich an der Klinik hatte, ins Spiel um die Untersuchungen voran zu treiben. Man entließ mich ohne Diagnose nach gut einer Stunde, mit einem Stapel Überweisungen in der Hand.

Am nächsten Tag meldete sich die Stationsärztin telefonisch bei mir und teilte mir mit, dass man ein Bett für die nächsten Tage für sämtliche Untersuchungen für mich bereitgestellt hatte. Kleine Geschichte am Rande. Mein jüngster Sohn hatte zu diesem Zeitpunkt schon länger eine Freundin, deren Eltern ich nicht kannte. Wie es der Zufall wollte, stellte es sich heraus, dass die Mutter eine ehemalige Schulchorkollegin von mir war und an der Klinik als Oberärztin mitunter für das PET-CT zuständig ist. So rückte ich am darauffolgenden Montag für fünf Tage in das Krankenhaus ein, ohne einen Gedanken an eine größere Katastrophe. Meine Familie äußerte diverse Befürchtungen, die ich jedoch sofort von mir wies.

Es dauerte dann noch gut eine Woche bis mir die Diagnose Plattenepithelkarzinom am rechten Zungenrand und Mundboden durch den Primar in einem einstündigen Gespräch übermittelt wurde.

Nach diesem Gespräch verließ ich mit den beiden Goldfüllungen in der Handtasche die Klinik. Die Füllungen habe ich Monate später, nachdem alles ausgestanden war, zu einem Goldhändler getragen und zirka 35€ erhalten.

Was wirklich auf mich zukommen würde, das konnte ich nicht einmal in meinen kühnsten Albträumen erahnen.

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B-San

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Bernhard Juranek

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Veronika Fischer

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Herbert Erregger

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