Aus ziemlich unerfindlichen Gründen habe ich während meiner lange andauernden Krankengeschichte nur ganz wenige Komplikationen ausgelassen. Einige Monate nach der Zungenkrebs-Diagnose wurde bei einer Routineuntersuchung auch ein erhöhter PAP-Wert festgestellt. Vereinfacht gesagt ein Verdacht auf Gebärmutterhals-Krebs stand im Raum. Auf Grund meiner Vorerkrankung kam man zum Schluss sofortige operative Maßnahmen zu setzen. Dies bedeutete Konisation und Curettage. Ich persönlich hätte eine Gebärmutterentfernung bevorzugt, dies wurde aber aus medizinischen Gründen nur als letzte Konsequenz ins Auge gefasst. Diese Diagnose hatte für mich keine große Bedeutung, denn im Vergleich zur Vorgeschichte fühlte sich das Ganze wie ein leichter Schnupfen an. Das wäre jetzt nicht sonderlich spektakulär, wenn nicht auch noch bei einem Routinetest eine MRSA-Besiedelung festgestellt worden wäre.

MRSA ist die Abkürzung für Methicillin resistenter Staphylococcus aureus, im Volksmund als Krankenhauskeim bekannt. 30% der Bevölkerung in Mitteleuropa sind Träger dieses Keimes. Für einen gesunden Menschen stellt dies kein Problem dar, jedoch für Patienten mit geschwächtem Immunsystem besteht die hohe Gefahr einer Infektion, die in manchen Fällen zum Tod führen kann. In den Niederlanden und in Skandinavien hat man diese Problematik in Kliniken auf Grund besonderer Hygiene-Maßnahmen sehr gut im Griff. Im deutschsprachigen Raum ist dieser Standard noch sehr ausbaufähig. Diagnostizierte MSRA-Besiedelung bedeutet bei einem Klinikaufenthalt Quarantäne.

So wurde mir für die Tage meines Aufenthaltes auf der Gynäkologie ein Einzelzimmer zugewiesen, das nach außen gut sichtbar gekennzeichnet wurde. Infektiös! Betreten nur nach Absprache! stand in großen Lettern an der Zimmertüre. Meine Familie durfte sich am Gang für Besuche in sterile Kleidung hüllen und musste sich die Hände desinfizieren. Das sind natürlich alles verständliche Maßnahmen um eine weitere Verbreitung innerhalb der Klinik zu unterbinden. Das sich mein Zimmer zwischen anderen *sauberen* Zimmern befand, sei hier erwähnt. Mein Kammerl, denn mehr war das nicht, war übrigens ohne Sanitärzelle ausgestattet. Lediglich ein kleines Waschbecken stand für die Körperpflege zur Verfügung. Als Toilette diente ein Leibstuhl, der unmittelbar neben der nicht versperr baren Zimmertüre stand. Nicht nur einmal wurde die Türe ohne Anfrage geöffnet, während ich auf dem Stuhl saß.

Am zweiten Tag stand nachmittags der operative Eingriff am Programm. Ich sollte aus verständlichen Gründen die letzte Patientin im OP-Saal sein, da danach der gesamte Bereich gründlichst desinfiziert werden muss. Meinen Wunsch nach einer Dusche vor dem Eingriff, bei dem auch mein Luftröhrenschnitt und meine Bauchnarbe korrigiert werden sollten, halte ich auch heute noch für legitim. Das ganze kam jedoch einem Spießrutenlauf gleich, weil die diensthabende Stationsschwester der Meinung war, es würde doch wohl reichen, wenn ich mich am Zimmer mit einem Waschlappen waschen würde. Ich habe großen Respekt vor Menschen die an oder in meinem Körper arbeiten, und deshalb ist es mir auch wichtig, diesen Menschen mit Wertschätzung gegenüber zu treten, auch wenn das liegend im OP-Saal stattfindet. Und dazu gehört für mich ein frisch geduschter Körper. Nach einigen Diskussionen wurde es mir doch ermöglicht unter Begleitung, bekleidet mit steriler Kleidung und Mundschutz den Duschbereich aufzusuchen. Ich habe für diesen großen Aufwand wirklich Verständnis, für mich wird es aber ad absurdum geführt, solange in jedem Krankenzimmer statistisch gesehen ein weiterer MRSA-Träger liegt und auch das Personal mitunter mit Hygiene-Standards sehr salopp umgeht.

In den nördlichen Ländern werden Patienten vor der Aufnahme in der Klinik auf MRSA getestet und bei Besiedelung getrennt von nicht befallenen Pateinten untergebracht. Dies ist mit ein Grund, weshalb dort MRSA wesentlich seltener auftritt. In unseren Breitengraden handelt es sich, so wie in meinem Fall um einen reinen Zufallsbefund. Um diesen Keim im Krankenhausbereich in den Griff zu bekommen sollten auch endlich Besucher darüber informiert werden, beim Betreten des Klinikgebäudes die Hände zu desinfizieren.

Die Ausrottung des Bakteriums ist übrigens sehr zeitaufwändig, ich habe über zwei Monate benötigt um als keimfrei zu gelten. Dazu muss man im häuslichen Bereich auf ein gewisses Maß an Keimfreiheit achten, eine medikamentöse Kur durchführen und die befallenen Körperteile mit Salben behandeln. Zusätzlich werden in kurzen Abständen Abstriche durchgeführt. Erst wenn drei aufeinanderfolgende Abstriche ohne Befund sind, darf man sich wieder keimfrei nennen.

Zu erwähnen sei auch, dass dieser Keim gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent ist, was eine Behandlung bei akuten Erkrankungen, bei denen Antibiotikagaben erforderlich sind, sehr erschwert.

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