Krebs und Spätfolgen; die Sache mit den Zähnen

Wer mir auf Fisch und Fleisch schon länger folgt, der weiß, dass ich vor nunmehr vier Jahren an einem seltenen Zungenrand und –bodenkarzinom, kurz Zungenkrebs, erkrankt bin. Nach langwierigen Operationen und Therapien und einer gut einjährigen Rekonvaleszenz wurde ich als tumorfrei eingestuft. Bis auf einen Verdacht vor gut einem Jahr, der sich nach vielen Untersuchungen und einigen Klinikaufenthalten im Zeitraum von einem halben Jahr als unbegründet herausstellte, gab es keine bedenklichen Vorfälle. Es wurden zwar in den letzten drei Jahren Korrekturoperationen vorgenommen, ich befinde mich auch in Dauer-Physiotherapie und benötige Lymphdrainagen, aber ich kann sagen, dass ich schon lange in einem normalen Alltag angekommen bin, obwohl der in vielen Belangen wenig mit meinem Leben vor meiner Erkrankung zu tun hat.

Das größte Problem ist die Nahrungsaufnahme. Natürlich gibt es auch mit multiplen Behinderungen im Mund- und Halsbereich genügend Möglichkeiten sich genussvoll zu ernähren, wie ich mit meinem Blog Geschmeidige Köstlichkeiten mit über 350 Rezepten beweisen kann. Trotzdem ist es oft mühsam, wenn ich neben Menschen sitze, die Steaks, Schnitzerl und sonstige Köstlichkeiten verspeisen, die für mich halt überhaupt nicht mehr in Frage kommen.

Jetzt hat es sich in den letzten Monaten ergeben, dass meine Zähne, die bis über zwei Jahre nach der Strahlentherapie ziemlich tadellos waren, plötzlich mit den Spätfolgen der Bestrahlung zu kämpfen hatten. Und zwar so sehr, dass heuer im Frühsommer im Unterkiefer überhaupt keine Zähne mehr vorhanden waren. Zu einem geringen Teil sind sie mir förmlich aus dem Mund gefallen. Das muss man sich bildlich vorstellen, man sitzt in einem eher gehobenen Restaurant, es macht klack und ein Schneidezahn fällt aus dem Mund. Fehlende Einzelzähne erwecken übrigens auch einen leicht asozialen Eindruck. Menschen starren einem mehr auf den Mund, als bei komplett fehlenden Zähnen. Das habe ich zumindest persönlich so erlebt. Die restlichen Zähne mussten teilweise unter Narkose entfernt werden. Der Aufwand ist alleine deshalb schon anders, weil man bei einem bestrahlten Kieferknochen nicht ohne Antibiotikaprophylaxe extrahieren sollte. Außerdem besteht auch die Gefahr, Teile des Knochens zu beschädigen.

Genauso schwierig ist dann auch für Zahnersatz zu sorgen. Seit Monaten mühe ich mich mit einem schlecht sitzenden Provisorium ab, was zur Folge hat, dass ich nun schon seit längerem wieder nur dickflüssige Nahrung, eventuell ein wenig breiig, zu mir nehmen kann. Dazu kommt auch noch, dass man nicht so einfach Implantate in den porösen Kiefer setzen kann und dies ein größeres Risiko mit sich bringt, dass die Metallteile nicht halten. Nach vielen Überlegungen und unzähligen Gesprächen, vor allem ist das Ganze ja auch eine Kostenfrage, war es nun vor gut zwei Wochen so weit. Im Unterkiefer wurden vier Implantate gesetzt, wieder unter Narkose, weil ich meinen Mund ja nicht richtig öffnen kann. Da bevorzuge ich den Tiefschlaf auch im Hinblick auf den Operateur.

Jetzt durfte ich zwei Wochen ohne Prothese, dafür mit unzähligen, harten, spießigen Nähten im Mund herumlaufen. Essen? Fehlalarm, denn die Mundschleimhaut war so beleidigt, dass Wasser fast schon eine Zumutung war. Ungesalzene Suppen und Joghurt ohne alles standen am Speiseplan. Einfach frustrierend. Am Sonntag habe ich weinend den Esstisch verlassen, während meine Familie herrlichen Kalbsbraten mit Reis aß. Seit Mittwoch bin ich fadenlos, das Provisorium sitzt noch schlechter als zuvor. Aber bereits im Frühling wird der Aufbau eingesetzt, also ein Zeitpunkt, der durchaus absehbar ist. Bis dahin heißt es wohl weitermümmeln.

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