Seit Jänner sind in meiner direkten Nachbarschaft in einer ehemaligen Kaserne Flüchtlinge untergebracht. Ich war am Anrainerabend und wollte mich eigentlich irgendwie einbringen. Wie es oft im Leben ist, es blieb beim Vorsatz. Nun ist ein halbes Jahr ins Land gezogen und die Flüchtlingsproblematik hat sich zusehends verschärft. Ich muss nicht weiter ausführen, welche Entwicklungen dieses Drama in den letzten Monaten genommen hat. Nicht nur, dass Menschen, die größtenteils traumatisiert sind in Zelten leben müssen, oder mitunter sogar unter freiem Himmel, so hat sich die Stimmung in gewissen Teilen der Bevölkerung sehr zum Negativen entwickelt. Viele Menschen scheuen sich nicht mehr unter ihrem realen Namen menschenverachtende Meinungen vor allem über Soziale Medien zu verbreiten.
Ich habe es mir inzwischen beinahe abgewöhnt, derartige Kommentare zu lesen, weil es mir persönlich nicht gut tut und weil solche Leute meist bildungsresistent sind. Ich möchte meine Energie nicht in Aufklärungsarbeit via Facebook stecken und bewundere Menschen, die dies unermüdlich tun.
Vor drei Wochen hatte ich ein für mich sehr einschneidendes Erlebnis mit dem Umgang mit Flüchtlingen. Ich war zwei Tage in München und bei der Rückreise wurde ich am Hauptbahnhof in München Zeugin einer dramatischen Szene, die wohl des Öfteren so abläuft. Ich war zu früh am Bahnsteig, als am Gleis daneben ein Zug aus Verona einfuhr. Plötzlich wimmelte es am gesamten Bahnsteig von Dutzenden, teils sehr jungen Polizisten und Polizistinnen. Als sich die Zugstüren öffneten, war der Grund des Einsatzes klar. Bei einem großen Anteil der Reisenden die den Zug verließen, handelte es sich augenscheinlich um Flüchtlinge, die vermutlich den Weg über das Mittelmeer und Italien Richtung Norden angetreten haben. Die Polizei selektierte ziemlich rasch jene Personen, die dem Typus Flüchtling entsprachen, und trieb sie vor einem großen Elektroverteilerkasten zusammen. Ich war so derartig fassungslos ob dieser gruseligen Szene, dass ich mit offenem Mund stehen geblieben bin, bis mir einer der Gesetzeshüter andeutete, ich solle meinen Standplatz verlassen und die Amtshandlung nicht behindern. Besonders erstaunte mich die Tatsache, dass diese ganze Abhandlung von einer Polizistin mit einer Videokamera festgehalten wurde. Da stand nun eine unüberschaubare Gruppe, vornehmlich junger Menschen, denen die Angst anzusehen war. Ich werde diese unzähligen furchterfüllten Augenpaare niemals vergessen. Die ganze Szene, in der ich mir so hilflos vorkam, hat mir zahlreiche schlaflose Nächte bereitet.
Der Gedanke in der Flüchtlingsproblematik hilfreich zu werden, war wieder geweckt. Nun erfuhr ich dank meiner vielen Social Media Kontakte von einem Projekt der Diakonie, dass Menschen gesucht werden, die bereits anerkannten Flüchtlingen Sprachtraining erteilen. Das bedeutet, dass diese Menschen einen Asylstatus erreicht haben und dringend nicht nur sprachlich, sondern auch sozial integriert werden müssen, um ihnen hier ein eigenständiges Leben zu ermöglichen. Sie befinden sich bereits in professionellen Sprachkursen und benötigen Hilfestellung beim Training außerhalb des Kurses.
Ich freu mich darauf, dass ich trotz meiner Sprachbehinderung ab kommender Woche gleich eine ganze Familie aus Syrien begleiten darf.