Warum ein chronisch kranker Hund auch eine Bereicherung ist

Was bedeutet es, mit einem chronisch kranken Hund zu leben? Der Alltag gestaltet sich auf jeden Fall ungleich aufwändiger als mit einem gesunden Hund. Er ist geprägt von schlaflosen Nächten, der Angst vor Rückfällen und dass es trotz Optimismus einmal nicht gut ausgehen könnte. Es bedeutet aber auch, sich ein Stück Normalität zu schaffen, Zeit bewusster zu erleben und die schönen Momente mit seinem Hund noch intensiver zu genießen.

Mit der Entscheidung, sich einen Hund anzuschaffen, übernimmt man auch die Verantwortung, diesen bis zu seinem Lebensende zu begleiten. In guten wie in schlechten Tagen, fast so wie in einer Ehe. Mein „Sorgenhund“ Coco hat mit ihren nicht einmal drei Jahren mittlerweile zwei unheilbare Erkrankungen. Zu ihrer chronischen Magen-Darmentzündung (IBD) und einer neu aufgetretenen Futtermittelallergie gegen Fleisch aller Art, hat sich auch noch Diabetes Insipidus, eine relativ selten vorkommende Hormonmangelerkrankung, hinzugesellt.

Die letzten Wochen waren die schlimmsten, die wir in ihrem kurzen Hundeleben je gemeinsam durchgestanden haben. Geprägt von einer radikalen Futterumstellung, nächtlichen Gassirunden, IBD Schüben, riesigen Wasserlacken in der Wohnung, ausgelöst durch die extrem hohe Harnausscheidung bei Diabetes Insipidus und dem fast schon heroischen Durchhaltevermögen meines tapferen Hundes. In einer besonders schrecklichen Nacht habe ich sie stundenlang gebürstet, um sie zu beruhigen und ihren Juckreiz nach einer allergischen Reaktion zu lindern. Coco hat so stark abgenommen, dass sie aus eigener Kraft nur mehr wenige Meter laufen konnte, die meiste Zeit blieb sie einfach liegen. Auch den kurzen Fußweg zum Tierarzt konnte sie nicht mehr laufen, mindestens die Hälfte der Strecke musste ich sie tragen. Es hat aber alles einen tieferen Sinn. Trotz der geringen Strecke war ich heilfroh, dass Coco ein Zwergpinscher und keine Dogge ist. Zwischen Hoffnung und Erschöpfung immer mit dabei: Die furchtbare Angst, dass sie es dieses Mal nicht schaffen würde.

Ja, ich gebe zu, es ist anstrengend und auch kräfteraubend. Aber wir erleben auch wunderbare Dinge. Die langsamen Fortschritte die sie täglich macht, ihr grenzenloses Vertrauen in mich und ihre Hundeliebe, die sie mir ständig aufs Neue zeigt. Wenn sie heute glücklich durchs heißgeliebte hohe Gras läuft, dann ist das einfach nur schön. Ich denke nicht jeden Tag an ihre Erkrankungen, es ist so wie es im Leben immer ist. Mal gut und ein anderes Mal weniger gut. Und morgen ist ein neuer Tag.

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Gerhard Nützmann

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