Es herrscht gerade ein großes Mediengeschrei über die unhaltbaren Zustände in der Schlachtfabrik Tönnies. Man könnte denken, Corona hat da was aufgedeckt, von dem man so gar keine Ahnung hatte. Dabei ist es seit Jahren (Jahrzehnten) bekannt, was in der deutschen Schlachtwirtschaft passiert. Durch immer mehr Preistreiberei sind wir zum Billig-Schlachthof der Welt geworden. Nirgends werden billiger Schweine geschlachtet als bei uns. Wir sind Marktführer. Allerdings wirft das kein gutes Licht auf uns Deutsche. Muss ein Land, in dem es den Menschen, verglichen mit der Welt, gut geht, wirklich auf so etwas setzen?
Wir wären nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn wir das nicht so machen würden, tönt es aus der Fleischindustrie. Es ginge auch um Arbeitsplätze ist der Verweis, dass man bei der Fleischindustrie doch die Augen von Seiten der Politik zudrücken sollte.
Gewerbeeinnahmen für die Kommunen brechen weg, wenn ein Fleischbetrieb eingestellt werden müsste, wegen unhaltbarer Zustände. Kann da die Gemeinde nicht auch daran interessiert sein, dass die Fleischfabrik nicht geschlossen wird? Wir da nicht zu oft weggeschaut? So wie bei Wilke-Wurst?
Aber auch der Bauernlobby ist nicht daran gelegen, die Zustände zu verbessern. Sie bleiben ja dann auf ihren Tieren sitzen, wenn ein Betrieb dicht macht. Jetzt bei dem Tönnies-Skandal gibt es das Problem, dass die Tiere zu fett werden, die jetzt nicht geschlachtet werden können, und die dann keinen Platz mehr in ihrer engen Behausung haben.
Wir haben weder ein Herz für Tiere noch die für die dort arbeitenden Menschen. Wir beuten aus. Damit wir billig Fleisch haben.
Letztens habe ich eine Sendung geschaut, in dem eine Metzgerei mit eigenem Schlachtbetrieb (und ja, das gibt es auch noch) erklärt, dass sie das doppelte Geld für das Kilo Fleisch von ihren Kunden verlangen müsse gegenüber des Discounterpreises, um ihre Ausgaben, für anständigen Lohn und für anständige Behandlung des zu schlachtendes Viehs zu decken.
Sind wir nicht bereit, das zu zahlen? Fleisch ist in unserem Land viel zu billig. Früher war das Fleisch viel teurer im Verhältnis zum Einkommen der Leute. Und, sind wir deswegen verhungert? Ich kann mich nicht erinnern, dass in Deutschland in meiner Kindheit Leute verhungert wären. An was ich mich erinnern kann, dass es so gut wie keine übergewichtigen Kinder gab. Wir Kinder waren alle dünn, ganz selten gab es mal ein dickes Kind. Aber auch die Erwachsenen waren im Durchschnitt eher schlank.
Natürlich war früher nicht alles besser. Aber einiges schon.
Zum Beispiel war man früher (nach dem zweiten WE) nicht einfach NUR eine Nummer. Auch war man früher bei seinem Arbeitgeber nicht einfach NUR ein Kostenfaktor. Man wurde als Mensch gesehen und der Chef fühlte sich noch für seine Leute verantwortlich. Viele Arbeiter arbeiteten ein ganzes Arbeitsleben beim selben Arbeitgeber. Das war oft auch sehr familiär. Der Arbeitgeber kannte seinen Mitarbeiter mit all seinen Facetten und der Arbeiter auch seinen Chef. Es war ein Miteinander.
Das ist heute nicht mehr so gewollt. Heute sind Arbeiter nur noch Kostenfaktoren, die man so gering wie möglich halten will. Hire and fire wäre den Arbeitgeber wohl auch am Liebsten, ganz so wie in Amerika, dem Mutterland des Kapitalismus.
Aber bei uns in Deutschland haben die Menschen für Arbeiter-Rechte gekämpft und die kann man jetzt nicht einfach aushebeln, sehr zum Leidwesen mancher Arbeitgeber. Z.B. den Kündigungsschutz oder den Betriebsrat. Viele Firmen verhindern heute einen Betriebsrat, in dem sie die, die sich zum Betriebsrat wählen lassen wollen schlecht behandeln.
Findige Leute haben sich da etwas großartiges ausgedacht um die ganzen Arbeitnehmerrechte zu umgehen, die Subunternehmen. Denn die Subunternehmen sind dazu da Arbeiterrechte zu umgehen. Da werden Menschen ausgebeutet. Unter unwürdigen Bedingungen müssen die für uns schuften. Oft lassen wir ausländische Arbeiter für uns arbeiten, die man dann in unwürdigen Unterkünften, noch vom kargen Lohn, auch noch viel Geld für Miete abnimmt. Das erinnert an moderne Sklaverei.
Wir lassen es zu, dass Menschen ihre Rechte genommen werden
Wir lassen es zu, dass Arbeiter nicht mehr als Menschen wahr genommen werden
Wir lassen zu, dass sich ein unmenschliches System entwickelt hat, in dem dem Menschen seine Würde genommen wird.
Und das alles weil wir eingeredet bekommen, dass das wichtig und richtig wäre um unseren Wohlstand zu halten.
Die ganzen prekären Arbeitsverhältnisse und das Subunternehmertum, tragen also bewusst dazu bei, dass Menschen nicht mehr als Menschen betrachtet werden.
Schauen wir mal bei den Tieren, auch da die Entwicklung, dass wir das Tier nicht mehr als Tier wahrnehmen sondern als Fabrik Produkt.
In meiner Kindheit hatten wir noch viele Bauern. Diese Bauern gaben ihren Kühe Namen, die hießen dann Lisa, Resi, Paula usw. Der Bauer schaute auf seine Tiere, dass es ihnen gut ging, allein schon aus dem Motiv heraus, dass ja ein krankes oder totes Tier ein Verlust für in darstellte.
Auch damals wurden Tiere getötet. Ja, aber das geschah in nahegelegenen kleinen Schlachthöfen, oft sogar durch Hausschlachtung. Das hieß dann, dass das Tier so wenig wie möglich davon mitbekam, denn es gab keine tagelangen Fahrten zum Schlachthof. Auch auf dem Schlachthof ging es nicht wie am Fließband zu.
Auch da hat sich eben nicht alles zum Besseren entwickelt. Wir haben den Tieren die Namen genommen, heute heißt die Kuh eben nicht Lisa, sondern 43987. Wir haben Tiere zu Nummern degradiert.
Es ist nicht schlimm, dass wir Tiere essen oder Produkte kaufen, die von den Tieren stammen. Schlimm ist, dass wir nicht bereit sind dafür einen anständigen Preis zu zuzahlen. Tiere sollten nicht in Fabriken gehalten werden. Tiere sind Lebewesen und die brauchen Zuwendung, Pflege, Fürsorge und sie haben es verdient, dass man sie anständig behandelt.
Es war eigentlich immer so, dass die Leute die Tiere anständig behandelt und trotzdem gegessen haben. Das eine schließt das anderen nicht aus.
Diese Industrialisierung der Fleischwirtschaft ist das Problem, die rentiert sich nur bei Massentierhaltung und wenn man Massen von Tieren hält, dann kann man nicht zu jedem einzelnen gut sein. Wenn ein Bauer nur 10 Kühe besitzt, dann kann der sich um jede einzelne auch anständig kümmern. Aber das hat halt seinen Preis.
Und warum machen wir das eigentlich, dieses „wir machen alles zu Nummern, zu Ware“?
Wegen dem Wachstum. Wegen dem Wohlstand. Damit sich jeder auch ganz viel Fleisch zu möglichst billigen Preisen leisten kann.
Braucht man das wirklich?
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