„Putin muss verschwinden“. Diesen Wunsch kann ich schon verstehen. Aber es ist eben ein Wunsch. Da zeigt sich die Naivität, mit der der Westen unterwegs ist. Da müssen wir uns erst einmal die Frage stellen, wie könnte das denn geschehen, dass Putin verschwindet? Ich habe mir da mal verschiedene nicht realistische Szenarien ausgedacht.
Szenario 1: Putin zieht sich aus der Ukraine zurück, sagt tut mir leid, das war ein Fehler. Vielleicht zeigt er sich auch noch selbst bei internationalen Gerichtshof an.
Szenario 2: Putin bringt sich selbst um und befreit damit die Welt von sich selbst.
Szenario 3: Putin wird von seinen eigenen Leuten umgebracht.
Szenario 4: Die Ukraine gewinnt diesen Krieg, Putin gibt sich einfach geschlagen.
Szenario 5: Die Ukraine gewinnt nicht nur ihr Land zurück sondern schlägt auch noch die russischen Truppen auf russischem Boden. Selenskyj setzt Putin ab.
Szenario 6: Die Nato greift in den Krieg ein und gewinnt den dritten Weltkrieg. Putin wird verhaftet und vor den internationalen Gerichtshof gestellt.
Jetzt kann sich jeder ja mal ausrechnen, welches Szenario für ihn das wahrscheinlichste wäre? Bei mir ist es Szenario 6 mit all seinen schrecklichen Folgen. Also der dritte Weltkrieg würde die Welt sicherlich am ehesten von Putin befreien.
Ist das vielleicht auch schon so gewollt? Werden wir vielleicht schon darauf vorbereitet? Läuft alles darauf hin?
Wenn nicht, dann fehlt mir einfach ein Plan B. Es werden immer mehr Stimmen laut, dass man „mit Putin nie mehr an einem Tisch sitzen kann“. Dass man „Russland von allem ausschließen muss“. Dass man „keinen Handel mit Russland mehr treiben will“. Abschottung und Ausschluss, das Abbrechen von allen diplomatischen Beziehungen. „Russland soll in einer Isolation leben“. „Russland darf nicht gewinnen“. Baerbock hat gerade gesagt: „Russland soll sich nie mehr davon erholen“
Also mal angenommen, Putin verschwindet jetzt nicht einfach von der Bildfläche, er kann uns mit seinen 69 Jahren auch noch ca. 10 Jahre erhalten bleiben. Wollen wir dann wirklich so mit Russland die nächsten Jahren verfahren?
Brauchen wir nicht auch dieses große, bevölkerungsreiche Land, um wichtige Dinge auf den Weg zu bringen? Ein sehr rohstoffreiches Land, sollen wir das wirklich auf die nächsten Jahre boykottieren und würde das uns nicht mehr schaden als Russland. Aber auch im Klimaschutz brauchen wir diese bevölkerungsreiche Land. Auch Russland muss seine Hausaufgaben machen, sich modernisieren, umweltfreundlicher gestalten. Ohne dass Russland mitmacht, werden wir auch keine guten Ergebnisse im CO2 Einsparen einfahren. Es nützt eben nichts, wenn wir allein unseren CO2 Ausstoß reduzieren, wir machen da nur 2% weltweit aus. Wenn das große Russland da nicht mitmacht, mit anderen großen, bevölkerungsreichen Ländern wie China, die USA und Indien, dann wird uns das eben nicht gelingen selbst wenn wir auf Null Co2 Ausstoß kommen.
Oder ist uns jetzt der Umwelt- und Klimaschutz auf einmal doch nicht mehr so wichtig? Wenn ich mir anschaue, dass man jetzt Gas, das ganz einfach CO2neutral durch eine Röhre fließt, mit Tankern aus der USA oder Katar, importiert, dann muss man sich mal diese CO2 Bilanz anschauen, denn die Tanker fahren eben nicht CO2neutral. Genau so wie man jetzt auch die Brachflächen die für Insekten und Tiere gedacht sind, unbedingt zur Ernährung der Menschen heranziehen möchte. Auch der Kohleabbau geht weiter, die Kohlekraftwerke dürfen länger am Netz bleiben, alles was wir noch vor kurzem als Weltuntergang hingestellt bekamen. Jetzt geht´s auf einmal doch! Hauptsache wir können Russland boykottieren. Da muss halt alles andere in den Hintergrund treten.
Die Moral ist scheinbar das Wichtigste was es in unserem Lande gibt! Russland darf nicht gewinnen! Koste es was es wolle! Selbst wenn das einen dritten Weltkrieg bedeutet. Auch selbst, wenn wir mit Umwelt- und Klimaschutz nicht weiter kommen, Hauptsache Russland wird bestraft.
Übrigens höre ich von unseren Moralisten, im Moment nur noch populistische Aussagen, denn so Sätze wie „Putin darf nicht gewinnen“, das sind doch genau diese einfachen, einprägenden, kurzen Sätze, die man den Populisten so gerne nachsagt. :)
Die Doppelmoral mit der man agiert ist mittlerweile unerträglich geworden. Alles was die USA weltweit angestellt hat, ist gut und moralisch gewesen. Auch Waterboarding, oder Guantanamo, alles keine Verbrechen an der Menschlichkeit. Kein amerikanischer Soldat wurde jemals vom den internationalen Gerichtshof gestellt und verurteilt, auch wenn er Kriegsverbrechen getan hat. Auch amerikanische Soldaten vergewaltigen, oder machen Erschießungen. Wenn amerikanische Bomben versehentlich eine Hochzeitsgesellschaft treffen, dann sind das eben ein Kollateralschaden, aber niemals ein Verbrechen an der Menschlichkeit.
Ich mag Putin nicht und dieser Angriff auf die Ukraine ist nicht richtig. Aber ich verurteile jeden Krieg, denn Krieg ist nicht das Mittel zum Frieden. Und dem der durch eine Bombe stirbt, ist es auch völlig egal ob das jetzt eine Bombe der Guten oder eines Bösen ist. Zivilisierte Menschen müssen ihre Angelegenheiten diplomatisch regeln. Und das würde auch gehen, wenn man sich nicht emotional auf eine Seite schlägt und der anderen, der bösen Seite keinen Jota Raum lässt. Wenn man jemanden in die Ecke drängt, muss man sich nicht wundern, wenn der sich vehement wehrt und eben auch alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel anwendet. Diplomatie heißt Kompromisse. Und Kompromisse heißt für mich, dass beide Seiten Einbußen erleiden, keiner kann sich zu hundert Prozent durchsetzen.
Für den Frieden muss man halt etwas in kauf nehmen. Aber das ist es wert. Denn Frieden ist das größte Gut der Erde (Außer für die Waffenlobby und die, die damit ihr Geld vermehren) Ich hatte das große Glück mein bisheriges Leben (66 Jahre) in Frieden leben zu dürfen. Und das war schön. Das ist es auch was wir weiterhin anstreben sollten.
Wie also wollen wir in Zukunft leben? Und wie wollen wir mit Russland auf Dauer umgehen? Darauf geben unsere Moralisten im Moment keine Antwort. Sie sind nur noch rechthaberisch. „Putin darf nicht gewinnen!“ Ich hoffe aber sehr, die haben wenigstens einen Plan B oder Plan C in der Tasche, wenn Putin doch gewinnt?