Gegenwärtig fühle ich mich immer wieder an eine Situation erinnert, die sich 2012 in der Uniklinik ereignete. Als ich nach meiner Krebsdiagnose vor dem CT-Raum darauf wartete, dass in der Röhre das ganze Ausmaß meiner Erkrankung festgestellt wird. Neben mir hockte ein Mann in meinem Alter, der in der gleichen Lage war und unaufhörlich auf mich einredete. Dass er niemals das machen würde, was die Ärzte sagen, egal was jetzt bei der Untersuchung herauskäme. Dass naturheilkundliche Behandlungen mit Kräutern immer besser wären. Dass die ihn überhaupt mal alle könnten, er würde sein eigenes Ding durchziehen. Er wüsste, dass sogar Essigwasser schon helfen könnte.
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Es war, als wollte er seine offensichtliche panische Angst mit einer Wut auf die Schulmedizin kompensieren. Er redete sich regelrecht in Rage. Ich meinte, ich würde mich da doch lieber auf die konventionellen Behandlungsmöglichkeiten verlassen. Es würde schließlich genug seriöse Studien geben. In meinem Fall hatte ich schon herausgefunden, dass sowieso nur eine Chemotherapie in Frage kommen würde, da es für triple-negativen Brustkrebs leider noch keine zielgerichtete Therapie gibt. Aber er ließ sich absolut nicht überzeugen: „Unsinn, diese ganzen Verbrecher stecken doch alle mit der Pharma-Mafia unter einer Decke, googeln Sie das mal! Apfelessig! Selbst Apfelessig hilft schon!“
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Ich weiß nicht, was aus diesem Mann geworden ist. Aber eine junge Facebook-Freundin mit meiner Diagnose, die sich allein auf eine obskure Heilkräuterbehandlung verlassen hatte, ist nach wenigen Monaten gestorben.
Menschen reagieren unterschiedlich auf Gefahren - in der Regel ist eine Fight-or-flight-Reaktion zu beobachten. Die einen kämpfen derzeit mit allen Mitteln gegen die Ausbreitung der Seuche: Lockdown, Social Distancing, selbstgebastelten Masken. Die anderen flüchten sich in absurde Verschwörungstheorien. Meiner Erfahrung nach haben letztere die schlechteren Karten.