Vor einigen Tagen glüht mein „gefällt mir"-Daumen auf Facebook. Ahnend, dass Pegida bald von Dresden nach Österreich schwappt, like ich alle rechten Seiten – von den Identitären, die mittlerweile in jedem Bundesland vertreten sind, über „Unzensuriert" bis Pegida Österreich. Und siehe da: Ein Aufruf zur Pegida-Demo in Wien poppt auf, eine Rückfrage bei der Polizei und fertig ist die leichtverdiente Exklusiv-Story. Was folgt sind verunsicherte Direktnachrichten à la: „Lieber Clemens Neuhold! Ich habe bemerkt, dass du persönlich auf Facebook Pegida geliked hast. Gibt es persönliche Gründe dafür???" – „Nehme an, ihr „gefällt mir"-Klick war ein Versehen?" Eine Softversion von dem Tool, das alle Pegida-Freunde automatisch entfernt.
„Bitte entfernen"
Mein Hinweis, dass ich Facebook hauptsächlich beruflich nutze und mein Beruf der des Journalisten ist, wird akzeptiert. Ich höre direkt den Seufzer der Erleichterung und sehe vor mir, wie sich der Daumen vom „Entfolgen"-Button zurückzieht. Ein Fotograf, dem die Privatheit auf Facebook ein besonderes Anliegen ist, nimmt meine Erklärung nicht hin und fordert mich auf: „Bitte die Freundschaft entfernen, sie ist nur eine Bezeugung. Alle Möglichkeiten stehen auch ohne Freundschaft zur Verfügung." Stehen sie nicht. Früher konnte man über Liste mitlesen. Jetzt geht das nicht mehr, oder ich bin zu blöd dafür? Ist mir aber eigentlich auch egal. Die Zeit drängt bei Recherchen. Der Fotograf meint, ich könne die Seiten bei Interesse ja einzeln aufrufen. Ich weise ihn darauf hin, dass ich die Zeit als Tageszeitungsjournalist nicht habe und bei der Fülle der zu beobachtenden Seiten darauf angewiesen bin, dass die Postings wie über eine Agentur in meine Timeline gespült werden. Er akzeptiert und zeigt sich trotzdem „irritiert". Warum eigentlich?
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Zuckerbergs Krone
Ich finde die Annahme, dass der „gefällt mir"-Button eine reine Bezeugung von Sympathie ist, anachronistisch. Es erinnert an Rüffel von pubertierenden Linksempörten, wenn man die „Kronen-Zeitung" oder „Heute" las. Pegida und Strache, den ich „like", was mir ebenfalls Rüffel meiner „Friends" eingebracht hat, existieren und funktionieren sehr stark auf Facebook. Zuckerbergs Krone bietet die Möglichkeit, ihr Treiben und das ihrer Fans, ungehindert, ungefiltert und unkommentiert zu verfolgen. Als Journalist ist es meines Erachtens unerlässlich, in diesem offenen Buch zu blättern, egal, ob sporadisch oder durch ein Abo; das ist viel essentieller als ein Twitter-Account. Denn auf Twitter ist die Original-Info längst moralisch schubladisiert. Für Nicht-Journalisten ist Facebook eine Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild von der Gesellschaft zu bilden - wie früher über die Lektüre sämtlicher Zeitungen von FAZ bis Krone. Stattdessen engt man seinen Blick über Social-Media-Bezeugungen immer mehr ein – was für Journalisten fatal ist und ein Quäntchen zum Vorwurf der System- oder zumindest Ausblendungs-Presse beiträgt.
Ob es Euch gefällt oder nicht
Einspruch: Pegida und Strache werben aber doch mit der Zahl ihrer Fans, die ihre Sympathie „bezeugen"; diese Klick-Rate erhöhen die reinen Beobachter künstlich. Erstens: Die Krone gibt ebenfalls Reichweiten aus. Zweitens: Die Beobachter machen das Kraut nicht fett. Drittens: Die Leut' sind nicht so naiv, anzunehmen, dass alle beim Pegida-Marsch mitmarschieren oder Strache wählen, die auf Facebook beides liken oder dass jene Bobos sind, wenn sie dem Falter oder Vice folgen. Viertens: Die Frage ist finde ich längst irrelevant. Denn Facebook ist längst kein Freund-Buch mehr, sondern ein offenes Buch aller existierenden Meinungen auf der Welt. Und fünftens nur so ein Gedanke: In Zeiten von NSA und Meinungszwänglern könnte ein Streuverhalten ja auch eine proaktive Form, sein Profil zu verwischen, indem man einfach alles „liked" – von der Rosa-Lila-Villa bis zu Ajatollah-TV. Egal, ob es mir oder euch gefällt oder nicht.
P.S.: Solltet ihr es ausprobieren, werden die besorgten Hinweise auf euer Folgeverhalten garantiert von „Friends" kommen, die ihr im echten Leben kaum oder gar nicht kennt – was auch einiges aussagt.
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