… ist die Luft rein von Cannabis, sind Verse über Kastanien vergessen und Bademantel-Oden an Udo Jürgens verklungen. Wenn sich der pinke Nebel verzieht, dürfen sich die Neos samt ihres Polit-Barden Matthias Strolz wieder hinten anstellen und für ihre Späße genieren, während Finanzminister, Bundeskanzler und sein Neo-Vize seriöse Politik machen. Wenn sich der pinke Nebel verzieht, sind die einst in Umfragen bei zwölf Prozent schwebenden Neos auf sechs Prozent gekracht und die Analysen eindeutig: Selbst schuld. Hättet ihr keine Hasch-Lieder gesungen, sondern für das von Arbeitslosigkeit, Schulden und Steuern gepeinigte Land die echten Kastanien aus dem Feuer geholt. Viel pinker Rauch um Nichts?
Kastanien-Biedermeier
Wenn sich der pinke Nebel verzieht, bleibt Befremden. Darüber, wie sich fast alle Qualitätsmedien der selben Masche bedient haben, wie der von ihnen so gerne kritisierte Boulevard: des Hochschreibens und anschließenden Vernichtens. Der Boulevard lebt davon, weil ihm diese Hochschaubahn täglich Stories samt ihres wichtigsten Rohstoffes liefert: Emotion. Aufstieg und Fall der Neos, eine Super-Gschicht'. Die Analysen zeichnen allesamt ein klares Bild, doch sie verdecken entscheidende Facetten:
Dass Neos-Chef Matthias Strolz im Herbst ein Gedicht an die Kastanie verfasst, regt außer dem Presse-Chef, der das nach dem Motto „Jo derfens denn des?“ abkanzelt, da draußen wohl niemanden so recht auf. Es hätte angesichts der schwindenden Zahl von Krone-Lesern kaum jemand mitbekommen - weil es völlig irrelevant ist. Der Mann pflegte, politische Reformen als Yoga-Figuren darzustellen und durchs Parlament zu flattern. Das Gedichterl wirkt dagegen fast wie ein biederer Schwenk zur Norm. Die Ode an Udo mag all jene nicht so recht verschrecken, die mit der Sprache von Facebook groß geworden sind. Politker-Selfies als Darstellungsform sind dort so normal wie altbackene Pressekonferenzen im Hinterzimmer des Café Landtmann. Wo der Grad der Selbstdarstellung höher ist, soll jeder für sich selbst entscheiden.
Othmar statt Udo
Weiteres Fakt: Ohne Strolz, der laut Standard „das Problem der Neos“ ist, würde es die Neos im Parlament nicht geben – und damit auch nichts zu analysieren. Strolz' Auftreten mag man oder nicht. Es entspricht aber einer Zeit, in der Typen eher gewählt werden als Programmatik. Hinter einem Typus Othmar Karas, den sich manche Leitartikler jetzt wohl an der Spitze der Neos wünschen würden, hätte sich keine kritische Masse an Mitstreitern zur Parteigründung geschart. Darunter sind auffällig viele Selbstständige, Juristen, Berater. Die haben Projekte ausgearbeitet, die durchaus Hand und Fuß haben. Fakt ist aber, dass sie in der Regierung sein müssten, um dafür Headlines zu bekommen. Das Gesetz der limitierten Aufmerksamkeit besagt, dass du als Kleinpartei auffallen musst, um medial aufzufallen.
Wenn diese Mitstreiter nun in einer Versammlung „Legalize it!“ beschließen, ist diese mediale Aufmerksamkeit der Medien fast automatisch da. Die Medien machen das deklarierte Randthema der Neos zum Hauptthema, berichten tagelang darüber. Während die „Themenverfehlung“ der Neos analysiert wird, füllen sich die User-Foren. Kiffen zieht! Das weiß jeder.
Ja, die Analysen waren allesamt konzise. Udo, die Kastanie, Haschisch = Themenverfehlung. „Rettet die Neos vor sich selbst!“ Aber die Analysen befremden, weil sie zu rund, zu geschliffen, zu sehr Bestätigung dafür sind, was der „politmediale Komplex“* als normal definiert. Dieser Komplex wendet sich nun, wo die pinken Nebel verzogen sind, wieder der seriösen Politik zu.
Man sieht sich im Landtmann.
*Niki Kowall von der SPÖ-„Sektion 8“ in einer bemerkenswerten Analyse über die Neos: http://blog.sektionacht.at/2014/11/verteidigung-der-neos/
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