Hunderte grüne Tücher. Schritte sind zu hören. Es gibt Tumult auf den Straßen. Man hört den Klang von Trommeln und Trompeten. Chöre von Frauen fordern lautstark Gleichberechtigung und die Achtung ihrer Rechte. Auch Männer begleiten sie, die sich der grünen Welle angeschlossen haben. In der Menschenmenge gibt es Freude, Gesang und Tanz. LGBTQIA+-Aktivist*innen haben sich der Gruppe ebenfalls angeschlossen. Die Versammlung ist friedlich. Grüne Tücher sind um Handgelenke, Taschen oder Hälse gebunden. Die Farbe Grün ist nicht nur in diesen symbolträchtigen Tüchern präsent: Es gibt auch riesige grüne Decken, grüne Transparente, Frauen sind grün geschminkt und haben ihre Nägel grün lackiert. Die Polizei überwacht die Demonstrationen und scheint häufig ihre Macht demonstrieren zu wollen. Aber die grüne Welle lässt sich nicht einschüchtern. Jeder Marsch findet ohne Pause statt. Die Frauen sind entschlossen, bis zum Ende durchzuhalten. So oder so ähnlich trugen sich feministische Demos der grünen Welle in verschiedenen Ländern Lateinamerikas zu.
„Legale Abtreibung, um nicht zu sterben“ – Der Ursprung der grünen Welle in Lateinamerika
Bereits seit einigen Jahren gibt es in Argentinien den Trend, zum Protest grüne Tücher zu tragen. Sichere und kostenfreie Abtreibung, Sexualerziehung in der Schule und Zugang zu Verhütungsmitteln sind Forderungen der Demonstrationen. An erster Stelle steht aber der Wunsch, dass die Menschenrechte der Frauen geschützt werden. Tausende Frauen im Land tragen dieses grüne „Accessoire“ als Symbol einer feministischen Weltanschauung mit historischen Spuren. Das Tuch ist aber nicht plötzlich aufgetaucht, sondern war schon Teil eines Kampfes, den die ältere Generation vor langer Zeit, während der Militärdiktatur Ende der 1970er-Jahre, begonnen hatte.
„Seit Jahrzehnten debattieren Feministinnen die Frage der Abtreibung und die Folgen, deren gegenwärtigen rechtlichen Status für das Leben und die Gesundheit von Frauen.“ So steht es in der Beschreibung der „Nationalen Kampagne für das Recht auf legalen, sicheren und freien Schwangerschaftsabbruch“ (Campaña Nacional por el Derecho al Aborto Legal Seguro y Gratuito). Dieses landesweite Bündnis spielt eine essentielle Rolle für den feministischen Kampf in Argentinien.
Die Kampagne hatte ihren Ursprung im 18. Nationalen Frauentreffen, das 2003 in der Stadt Rosario, Argentinien, stattfand. Im nächsten Jahr wurde auf dem 19. Nationalen Frauentreffen in Mendoza zunächst ein viermonatiges Projekt dazu geplant. 2005 entwickelt sich die Kampagne dann offiziell zu einer großen Emanzipationsbewegung und feiert am 28. Mai 2020 ihr fünfzehnjähriges Jubiläum – weiterhin unter dem Motto: „Sexualerziehung, um zu entscheiden, Verhütungsmittel, um nicht abzutreiben, legale Abtreibung, um nicht zu sterben.“