Affen und Elefanten sind sehr nachtragend. Ich bin das auch. Es ist zwei Wochen her, dass ein Schaffner der Österreichischen Bundesbahnen mich beleidigt hat. Das Unternehmen fand es bis heute nicht der Mühe wert, auf meine Beschwerde, abgeschickt am Freitag, den 1. April (vielleicht dachten die, es wäre ein Aprilscherz?) zu antworten. Zum Beispiel mit einem automatischen Rückantwortmail folgenden Inhalts: Sehr geehrte Frau soundso, wir haben Ihr Mail erhalten und werden uns sofort um Ihr Anliegen kümmern. Wie das halt bei Unternehmen, die Kundenfreundlichkeit beherrschen, so üblich ist.
Ich will ja keinen langweilen, aber wie heißt eine Regel von uns Journalisten? A Gschicht is a Gschicht is a Gschicht. Und was mir am Mittwoch, den 30. März im Zug von Innsbruck nach Wörgl passiert ist, verbunden mit der Tatsache, dass danach gar nichts passiert ist, das erfüllt alle Kriterien einer guten Geschichte.
Krone-Fotograf Christof Birbaumer hatte mich gerade zum Innsbrucker Bahnhof gebracht, ich war ganz euphorisiert. Zwei Interviews im Kasten, einen Abend beim „Stanglwirt“ in Going mit Schwimmen, Sauna und Blick auf den Wilden Kaiser vor mir, bevor ich wieder nach Wien zurückflog. Wir hatten Alexander Van der Bellen und seinen Sohn Florian für meine Serie mit den Bundespräsidentschaftskandidaten in den Tiroler Bergen getroffen. Und danach ein Rendezvous mit dem Leiter des Tiroler Landeskriminalamtes, Walter Pupp, der mir erzählte, warum ihn ein Mordfall bis heute, kurz vor seiner Pensionierung, nicht loslässt. Die Geschichte könnt Ihr demnächst im Krone-Crime-Magazin lesen, an dem meine Kollegin Martina Prewein fieberhaft arbeitet. Da war dieses Gefühl, das mich nach jedem Interview glücklich macht. Das Gefühl, privilegiert zu sein, so viele spannende Menschen studieren zu können, genau den richtigen Job bei der richtigen Zeitung zu haben.
Ich dachte mir nichts dabei, als ich auf der Anschlagtafel des Bahnhofes den Zug wählte, der schon in vier Minuten abfuhr. Kauf ich das Ticket halt im Zug, mit Aufschlag, war meine Überlegung, bevor ich zur Rolltreppe rannte. Ich liebe Herausforderungen. Dann saß ich im Abteil der zweiten Klasse, meine rote Geldbörse in der Hand, sah die wunderschöne Landschaft vorbeiziehen und wartete auf den Schaffner.
Dieser kam in Gestalt eines Giftzwerges ohne Manieren. „Einmal Innsbruck - Wörgl bitte“, sagte ich und öffnete schon mal meine Geldbörse. Darauf bäumte sich der Giftzwerg vor mir auf und begann in harschem, lautem Tonfall, mich zu belehren. Sie können hier kein Ticket kaufen!!! Sie werden jetzt gleich bestraft!!! 70 Euro sofort!! Oder 100 Euro, wenn Sie sich weigern!!
Alle Blicke im Abteil waren auf mich gerichtet. Mir schwante Übles. Ich war eine Schwarzfahrerin.
Ruhig bleiben und die richtigen Fragen stellen, sagte ich mir, bin ja nicht umsonst Interviewerin.
Warum kann ich im Zug kein Ticket kaufen? Ich kaufe meine Tickets immer im Zug.
Darauf brüllte der Giftzwerg: Das ist ein Regionalzug!!!
Wer oder was weist mich am Bahnhof Innsbruck darauf hin, dass ein Ticketkauf im Regionalzug nicht möglich ist?
Der Giftzwerg schnaubte.
Können Sie bitte meine Frage beantworten?
Sie müssen die Tarifbedingungen lesen!!!
Noch ein paar Fragen, und er würde platzen vor Wut. Das spornte mich noch mehr an.
Das war nicht die Frage. Wer oder was weist mich darauf hin, dass ein Ticketkauf im Regionalzug nicht möglich ist, während ich zum Beispiel im Railjet sehr wohl ein Ticket kaufen kann?
Der Giftzwerg sagte nichts mehr, sondern zog eine imposante Maschine aus seiner Tasche, mit der er mir die Nachforderung mit der Nummer 9130389060 ausstellte.
Wenn Sie mit Ihrer Maschine solche Nachforderungen ausstellen können, warum können Sie mir dann kein Ticket ausstellen?
Der Giftzwerg knallte mir seine Strafe von 100 Euro auf den Tisch und während er das Abteil verließ, wiederholte er noch einmal laut und deutlich seine Version: Ich sei eine Schwarzfahrerin und selber schuld.
Da platzte mir der Kragen und ich schrie ihm nach: Wenn ich eine verdammte Schwarzfahrerin wäre, würde ich am Klo sitzen, nicht hier mit meiner roten Geldbörse in der Hand!!!
Liebe ÖBB, vielleicht lässt sich nun eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter dazu herab, mein Beschwerdemail zu bearbeiten.
Lieber Giftzwerg, ich denke, Sie legen keinen Wert auf eine Aussprache mit mir. Ich wäre bereit dazu. Und wenn Sie sich bei dieser Gelegenheit bei mir entschuldigen, dann würde ich den Giftzwerg zurücknehmen.
Sonst bleibe ich nachtragend wie ein Elefant.