Leopold, das Schwein

Falls ihr gerne Schnitzel esst, bitte lieber nicht weiterlesen! Außer ihr habt einen guten Magen und das Schicksal von Millionen Tieren regt euch nicht besonders auf. Starköchin Sarah Wiener (mein Interview mit ihr könnt ihr in der „Sonntags-Krone“ lesen) kann Tierleid sehr eindrucksvoll schildern. Nach einer viermonatigen Auszeit zog die 52-Jährige eine persönliche Konsequenz aus all dem Massentierhaltungs-Irrsinn. Sie hat sich von der Edel-Gastronomie weitgehend verabschiedet, produziert jetzt nachhaltige Lebensmittel (unter anderem den einzigen Earl Grey-Tee von einer europäischen Bio-Plantage) und bewirtschaftet einen Gutshof aus der ehemaligen DDR, auf dem Rinder, Schweine, Hühner und Bienen artgerecht leben. Es gibt eine Schlachterei, wo die Tiere ohne Stress zu Tode kommen, ein Wirtshaus, einen Laden und Zimmer für Gäste (falls sie im Stall und auf den Feldern mit anpacken). „Ich wollte nicht mehr länger theoretisieren“, sagt die Jeanne d’Arc der Küche, „sondern zeigen: Was heißt das, unsere Mitgeschöpfe mit Würde und Respekt zu behandeln?“

Sarah hat mir von den gespenstischen Monokultur-Wüsten des Gentechnik-Riesen Monsanto in Südamerika erzählt, die sie während ihrer Auszeit besucht hat (siehe Bild). 100.000 Hektar große Felder mit Mais und Soja bis zum Horizont, der Boden verödet und totgespritzt mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. „Ich habe keine einzige Biene summen, keinen einzigen Vogel zwitschern gehört, dort kriecht kein Käfer mehr, dort wächst nicht einmal mehr ein Büschel Gras.“ Ein Drittel aller von Menschen verursachten Treibhausgase stammen aus der so genannten Landwirtschaft.

Zu dieser Landwirtschaft gehört auch, dass Tiere gemästet werden ohne Rücksicht auf Tierleid und die Folgen für die Menschen - mit genmanipuliertem Mais und Soja, während auf der Welt täglich 30.000 Kinder sterben. Bis zu 600 Schweine verschlingt eine einzige Produktionsstraße, auf der Tiere zur appetitlich verpackten Ware werden. Ein „Stecher“ rammt jeder Sau binnen weniger Sekunden ein Messer ins Herz. Für viele ist der Tod nicht gründlich genug. Im Siedebad, wo den Schweinen Haut und Borsten abgebrüht werden, wachen manche noch einmal auf. Vorher sind sie ohne Betäubung kastriert worden, man hat ihnen die Schwänze abgeschnitten, damit sie nicht so viel Platz brauchen, und sie mit Antibiotika ruhig gestellt. „Das ist doch ein Wahnsinn, wie wir mit unseren Tieren umgehen“, sagt Sarah. „Dabei sind gerade Schweine so sensible, liebevolle, charakterstarke Tiere, die uns so ähnlich sind – die sind intelligenter als jeder Hund! Ein Schwein würde nie in die gleiche Ecke machen, wo es schläft oder frisst. Wir zwingen aber die Schweine, auf Spaltböden zu sitzen, sich in ihren eigenen Kot und Urin zu legen und dann mehliges Kraftfutter zu fressen, damit sie wachsen. Ein Schwein möchte aber mit seinem Rüssel in der Erde wühlen, es möchte Sonne, Wind und Temperatur-Unterschiede spüren, es möchte einfach seinem Wesen gemäß leben…“

Als ich noch mit dem Vater meiner Kinder zusammenlebte, hatten wir so ein Schwein. Hans hatte es von einem Schulfreund zum 40. Geburtstag geschenkt bekommen, es wurde mit einer weißen Masche um den Hals geliefert und war wohl als Spanferkel gedacht. Wir tauften es Leopold und überließen ihm den Garten. Bald grub Leopold alle Rosenbeete um, wälzte sich im Gemüsegarten und fiel eines Tages sogar in den Swimmingpool (ich wusste bis zu dem Zeitpunkt nicht, dass Schweine sogar schwimmen können). Wenn Leopold Hunger hatte, klopfte er mit seinem Rüssel an die Scheibe unseres Wintergartens. Nach zwei Wochen – der Garten glich bereits einem wilden Erdreich - rief Hans den Fleischhauer Kurti Freitag und die damalige Leiterin der „Krone“-Tierecke an. Das Schicksal sollte entscheiden.

Zwei Stunden später stand bereits die Tierrettung vor dem Haus, die Edith Klinger, Gott hab sie selig, alarmiert hatte. Ich werde das nie vergessen: Zwei Männer in weißen Mänteln trugen Leopold in einer Holzkiste zum Auto und brachten ihn auf einen Gnadenhof am Semmering. Ich wäre am liebsten mitgefahren. Uns wurden bis zu Leopolds natürlichem Tod – ich glaube er starb an Herzverfettung –200 Schilling Futterkosten pro Monat abgebucht. Noch heute erinnern zwei Holzschweine in Hans Mahrs Garten in Köln-Hahnwald an den Glücklichen...

Sarah Wiener hat mich wieder an Leopold, das Schwein, erinnert. Daran, wie gedankenlos ich im Supermarkt oft zu irgend einem Fleisch greife oder im Wirtshaus ein Schnitzel bestelle. Also schreibe ich es mir wieder einmal hinter die Ohren: Iss weniger Fleisch, dann verminderst du Tierleid, hilfst der Gesundheit, dem Klima und der Umwelt. Menschen wie Sarah Wiener stellen dafür sogar ihr Leben auf den Kopf.

Fotocredit: Kronen Zeitung/Klemens Groh

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