Das interessiert jetzt vielleicht kein Schwein, aber seit Freitag, 13:00, als die AUA mit der Flugnummer OS 33 nach Delhi abhob, bin ich das, was Psychologen eine „Empty Nest Mom" nennen. Das Nest ist leer. Der Muttervogel (das bin ich) tieftraurig. Das Kind ist weg. Es fliegt in 189 Tagen um die Welt, und studiert anschließend im Ausland.
„Machen wir uns noch einen French Toast", sagte mein 18-Jähriger am letzten Morgen. Dann saßen wir uns gegenüber und wussten beide, dass wir Abschied voneinander nehmen. Ich war so unendlich stolz und so unendlich traurig. Ich wusste: Mein Leben wird unwiederbringlich nie mehr so sein, wie es einmal war.
War es nicht erst gestern, als er seine Händchen krähend in den Grießbrei patschte und unsere Gesichter mit weißen Spritzern übersäte? Als er, mit Baseballkapperl, Rucksack und Unattended-Minor-Schild um den Hals, das erste Mal allein in ein Flugzeug stieg, um zu seinem Vater nach Köln zu fliegen?
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Jetzt geht T., nach seinem älteren Bruder A., in die Welt hinaus. Und ich müsste eigentlich schon wissen, wie sich das anfühlt. Als A. nach England zog, musste ich jedesmal weinen, wenn ich beim „Billa" am Käsekrainer-Regal vorbeiging. Nie mehr Käsekrainer kaufen für meinen Sohn! Nur Mütter wissen, wie verdammt weh das tut.
Der deprimierende Anblick des vollen Kühlschranks: Wer bitte soll das jetzt alles essen? Ich habe jedenfalls keinen Hunger. Sein zurückgelassener Wohnungsschlüssel am Keyboard: Den hätte er doch behalten können! Die Unordnung überall: So schlimm war sie gar nicht. Jawohl, ich sehne mir das Chaos zurück! Sogar die Schrecksekunden, wenn ich um 3 Uhr morgens aufgewacht bin und mein Kind war noch nicht zuhause. Der Gedanke, dass mich nie mehr seine laute Musik nervt, dass er mitten in der Nacht keine scharfen Nudeln mehr kocht und ich in der Früh als erstes Töpfe wegräumen muss, schnürt mir die Kehle zu. Ich kann nichts anderes mehr denken. König Abdullahs Tod, das Blutbad in der Ostukraine, Kitzbühel: Alles irrelevant, wenn das Herz überflutet wird von dieser großen Sehnsucht.
Aber Mama, es gibt doch Facebook! Und Skype! Und Instagram! So haben meine Söhne versucht mich zu trösten. Ja, aber auf Facebook kann ich euch nicht umarmen. Auf Skype werdet ihr mir nie so nah sein wie zuhause am Küchentisch.
Dabei war ich nie eine Helikoptermutter, die wie eine Drohne über ihren Kindern kreist. Keine jener Frauen, die ohne Aufgabe im „Empty Nest" zurückbleiben, wenn ihre Kinder erwachsen sind. Nein, in der „Krone" wartet jede Menge Arbeit auf mich. Ich muss keine neue Rolle finden in meinem Leben.
Wie war das bei euch, wollte ich von meinen Freundinnen wissen. Ich hab' tagelang in den leeren Wäschekorb geheult, meinte die gute A. Schulfreundin E. verliebte sich stante pede in ihre Yogalehrerin, während B. ihrer Tochter (38) noch heute jeden Samstag gezuckerte Paradeisersauce kocht und diese in einem Tupperware-Geschirr beim Schwiegersohn abliefert.
Nicht lachen, Leute! Psychotherapeuten sprechen von einem Ablösungsprozess, der Eltern (aber vorwiegend Mütter) in tiefe Lebenskrisen stürzt. Von Trauer, an der es keinen Weg vorbei gibt. Sie sagen, dass das Zauberwort „Egoismus" heiße. Durch eigene Ziele und neue Prioritäten geben wir den Kindern die innere Erlaubnis, ihr eigenes Glück zu suchen.
Meine Trostspender heißen Mogli (mein schwarzer Kater nützt meine labile Verfassung regelrecht aus), Monk und Moët. Gestern hab' ich mit Wäschekorb-A. den grandiosen Film „Grand Budapest Hotel" mit Karl Markovics in einer kleinen Nebenrolle gesehen und danach Mayonnaise-Ei im Cafe „Korb" gegessen. Heute renne ich mit der besorgten M. den steilen Weg vom Kahlenberger Dorf bis hinauf zum „Sirbu" – naja wahrscheinlich werde ich schon beim langsamen Gehen ins Schwitzen kommen. Und am Nachmittag habe ich die Erlaubnis, mit den drei Süßen meines Kollegen R. Monopoly zu spielen - eine Art Leihmutterschaft-Therapie.
Ein Gradmesser des Seelenzustands von „Empty Nest Moms" ist übrigens das Kinderzimmer. Soll man den ganzen Krempel wegräumen, alles blitzblank putzen und als Guestroom auf airbnb stellen? Oder bleibt es eine Gedenkstätte an 18 unvergessliche Jahre? Den Gedanken, vielleicht ein Kind aus Moldawien zu adoptieren und dort einziehen zu lassen, habe ich dann wieder verworfen.
Auf http://189daysaroundtheworld.tumblr.com/ lacht mein Sohn mit seiner Freundin vom Qutb Minar, einem der höchsten Turmbauten der islamischen Welt. Er sieht glücklich aus.
Deshalb, liebe Mütter und Väter, liebe Söhne und Töchter: Esst öfter French Toast miteinander! Genießt die gemeinsamen Stunden am Küchentisch, bevor es zu spät ist. Und bereitet euch, verdammt, auf diesen Moment des Abschieds besser vor als ich.
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