Juhu, dachte ich am Samstagmorgen, als ich noch keine Zeile meines dreiseitigen Doppelinterviews mit Richard und Cathy Lugner für die Sonntagsausgabe geschrieben hatte, das neue NEWS ist da! Als der KRONE-Portier mir das druckfrische Heft überreichte, konnte ich es nicht glauben. Ich sah eine Chanel No. 5-Flasche, aus der Olivenöl rinnt. Daneben sieben Buchstaben, die ich nicht sofort verstand, was immer schlecht ist bei einem Aufmacher - ehrlich gesagt versteh‘ ich sie bis heute nicht. Ölkrise.
Das irritierende Cover (meinen die Heiz-, Körper-, oder Speiseöl?) erinnerte mich an „Format“. Ich stellte die optisch identen Titelseiten – roter Schriftzug, schwarze Schrift auf weiß, Sachthema – auf Twitter und versprach, nicht vorschnell über den Inhalt zu urteilen, sondern das Heft erst zu lesen. Ich hatte ja noch jede Menge Zeit bis zu meinem Andruck um 15.30 Uhr – ihr müsst wissen, dass ich mich, je später ich dran bin, umso lieber mit allen möglichen erfundenen Aufgaben ablenke. Ein Witzbold, der einmal mein Kollege war, twitterte: Letzte Woche das Ei, diese Woche das Öl, kommt nächste Woche die Mayo?
So pessimistisch sah ich es anfangs nicht. Ich freute mich auf längere Texte, leisere Töne, auf den neuen Stil, den Chefredakteurin Eva Weissenberger – Stichwort „Entfellnerisierung“ – bei ihrem Amtsantritt angekündigt hatte. Aber das Cover versprach eben nichts Gutes. Ich bemühte mich also, die Ölkrise, dieses Luxusthema, das eher in den „Falstaff“ gepasst hätte, auf acht Seiten zu begreifen. Über das rätselhafte Bakterium, das die Olivenbäume in Süditalien bedroht, haben auch „Spiegel“, „Focus“ und „Bild“ berichtet. Wieso es im Kernöl- und Bonaland Österreich Aufmacherthema ist, hat sich mir nicht erschlossen. „Das europäische Olivenöl könnte heuer knapp werden“, warnt Eva Weissenberger in ihrem Editorial. Trotzdem bezweifle ich, dass sich die NEWS-Leser beim Billa bald um die letzte Flasche prügeln werden und sich deshalb jetzt mit 5-Liter-Containern Extra Vergine eindecken, wie der neue Food-Experte dringend empfiehlt.
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Vielleicht würde mich ja das Politik-Ressort entschädigen. Das Kernthema dort spielt in der Wiener Reinprechtsdorferstraße, es geht um Glücksspielautomaten. Dazu eine Grafik: Margareten in Zahlen. Hat da wer das NEWS mit dem „Falter“ verwechselt? Weiter geht’s mit dem Dauerbrenner Hypo-Skandal. Beim Titel höre ich gleich auf zu lesen: „Kärnten im finanziellen Würgegriff der Hypo“. Die ganz netten „Austrias next Alabas“ und eine Vorschau auf den Alijev-Prozess sind die einzigen Storys in der Chronik (da hätte das Glücksspiel eher hingehört, und die Alabas in den Sport, den es aber anscheinend nicht mehr gibt), dann beginnt Wirtschaft.
Ein sechsseitiges Interview mit einem Vorarlberger Ökonomen in Zürich, „der schon bald den Nobelpreis bekommen könnte“ – ich gebe ehrlich zu, dass ich noch nie von ihm gehört hatte. Er erklärt uns, dass Geld den Charakter nicht verdirbt. Das ist ja mal eine Ansage. Echt erschreckend aber die Aufmachergeschichte in der Kultur: Fünf Seiten über die Sparmaßnahmen bei der Militärmusik. Spinn‘ ich?
Blieb immer noch das Leute-Ressort als Hoffnungsschimmer. Für das Interview mit Romy-Moderatorin Barbara Schöneberger ist gleich die weibliche Doppelspitze des Blattes ausgerückt. „Ich bin kein Clown“, zitieren Chefredakteurin und Chefredakteurin-Stellvertreterin die deutsche Quatschtante. Auf Seite 1 wird geteasert, dass Schöneberger selbst nicht fern sieht, im Text entpuppt sich das als kleiner Schwindel: „Ich mag Fernsehen schon (machen), schaue es nur nicht so gerne.“ Was jetzt?
Werbung für den „Kurier“ darf natürlich auch nicht fehlen, die haben das Gespräch wahrscheinlich arrangiert, und immerhin teilen sich CR Weissenberger und ihr Kollege Brandstätter ja bald den Karikaturisten nach dem genialen Manfred Deix. Angeblich sogar mit Dankeszeile! Beides (der Schwindel und die PR) liest sich komisch, wenn man hört, dass Eva Weissenberger die „Fellnerianer“ – die immerhin die jahrzehntelange Erfolgsstory von NEWS geschrieben haben – eines „unsauberen Journalismus“ bezichtigt und sich deshalb reihenweise von ihnen trennt.
Resümee nach 25 Minuten, die mir dann von meiner Produktionszeit abgegangen sind (selber Schuld, Conny!): Ich bin bei keiner einzigen Geschichte in diesem neuen NEWS hängen geblieben. Ich wurde von keinem Format oder Thema überrascht oder berührt. Ich habe keinen neuen Stil entdeckt. Die längeren Texte haben mir kein größeres Lesevergnügen bereitet.
Und bei welchen Geschichten wärst du hängen geblieben? Fragte mich mein Sohn und Korrektiv. Also die Mayo ist es mal nicht. Aber einen Kulterer im Häf’n zum Start des Hypo-Untersuchungs-Ausschusses hätte ich gerne im NEWS gelesen. Auch das erste Interview mit dem Mann, dessen Überlauf mit großer Wahrscheinlichkeit Rot-Grün in Wien stürzen wird – Senol Akkilic. Ein gottvolles Hillary Clinton-Porträt. Die spannendste Geschichte hätte vielleicht sein können, warum NEWS seinen Leserinnen und Lesern die Hintergründe zum Flugzeugabsturz von Germanwings, mit dem „Bild“ 333 Millionen, „Spiegel online“ 234 und „Focus online“ 133 Millionen Zugriffe verzeichnete, einfach vorenthalten hat. Wenn die „ethischen Gründe“ nämlich zu einer gnadenlosen Abrechnung mit einem zynischen, quotenheischenden Boulevardjournalismus geführt hätten.
Vor drei Jahren haben mich Peter Pelinka und Corinna Milborn einmal zu einer Blattkritik bei NEWS eingeladen. Damals waren noch Kaliber wie Kurt Kuch, Martina Prewein, Silvia Meister, Hubert Wachter oder Walter Pohl an Bord (der große Heinz Sichrovsky ist geblieben). Da befolgte ich alle Regeln, die professionelles Feedback haben soll. Nicht raunzen, schimpfen oder beleidigen! Jede negative Kritik möglichst zwischen zwei Scheiben Positiv-Elemente betten („Sandwich-Theorie“). Konstruktiv und perspektivisch formulieren, statt verbrannte Erde zu hinterlassen.
Das ist mir angesichts der „Ölkrise“ leider nicht gelungen. Sorry, NEWS: Aber eine Handgranate kann man nicht diplomatisch werfen.