Ich bin traurig und erschüttert. Mein Interview mit einem Flüchtling in Traiskirchen (heute in der Sonntags-Krone) hat Reaktionen ausgelöst, die ich nie für möglich gehalten hätte. Nicht, weil mir die aufgeheizte Stimmung, die in diesem Land herrscht, verborgen geblieben wäre. Sondern weil ich dachte, dass Mohammed El Amari, 27, die „katastrophalen Bedingungen“ (Aussage von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner) im Erstaufnahmezentrum Ost aus einer ganz persönlichen Sicht fühlbar machen würde. Aber das findet eine Mehrheit von Postern (nicht nur auf krone.at, sondern auch in den sozialen Netzwerken) empörend. Tenor: Der soll sich nicht aufregen! Ab nach Hause!

Ich werde die Chancen dieses Mannes – er flüchtete aus dem von Saudi-Arabien bombardierten Jemen, wo 20 Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu Nahrung und Wasser haben – auf Asylstatus in Österreich nicht kommentieren. Auch nicht die Umstände seiner Flucht über Ungarn und somit die Tatsache, dass er nach dem Dublin-Abkommen sein Verfahren in Ungarn abwickeln müsste. Dafür sind die Behörden zuständig, die die gewaltige Zunahme von Asylanträgen (Hunderte pro Tag) hoffentlich professionell und mit entsprechendem Personalaufwand bewältigen werden.

Traurig machen mich Vorurteile und Ängste, erschütternd finde ich Boshaftigkeit  und Neid.

Vorurteile: Der Mann lügt doch, denn laut Koran dürfen Muslime Andersgläubigen auch die Unwahrheit erzählen. Der ist ein Wirtschaftsflüchtling, der so lange herumreist, bis er die besten sozialen Bedingungen findet.

Ängste: Diese jungen Männer nehmen sich dann Frauen mit Kopftuch und schließen sich dem IS an. Europa wird von Muslimen unterwandert, wir werden uns noch wundern, wohin das führt.

Boshaftigkeit: Wenn es ihm in Österreich zu heiss ist, soll er doch in den Jemen zurück! Es gibt 57 wunderschöne muslimische Länder, dort kann Herr Amari seine Religion und Kultur leben.

Neid: Wenn ein Einheimischer seine wahre, armselige Geschichte zu erzählen hat,das würde keine Zeile in den Medien wert sein. Obdachlose wünschen sich auch ein menschenwürdiges Leben!

Ja, es gibt offenbar wirklich Menschen, die einem Kriegsflüchtling noch seinen Schlafplatz auf einer verdorrten Wiese neidig sind.

Gut, dass nicht alle Menschen so denken, auch wenn sie heute offenbar im Schwimmbad sind, statt mitzudiskutieren.

Einen schönen Tag noch!

Fotocredit: krone.at

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