Als letzten Sonntag am späten Nachmittag die Nachricht von Udo Jürgens‘ Tod kam, wollte ich es gar nicht glauben. Nein, das ist unmöglich. Er war doch gesund. Er hat doch nicht geraucht. Er sah doch aus wie 60. Noch heute kommt es mir irreal vor, dass sein Herz am 21. Dezember 2014 um 16.24 Uhr aufgehört hat zu schlagen.
Doch dann habe ich mich erinnert, wie Udo Jürgens in den Interviews, die ich mit ihm geführt habe, über den Tod gesprochen hat. „Der Gedanke schreckt mich manchmal im Traum. Es gibt diese Nächte, in denen graue Vögel um meinen Kopf kreisen, in denen ich mich frage: Wieviel Zeit bleibt dir noch?“
Wie alt möchten Sie werden? habe ich ihn gefragt. Darauf wollte Udo Jürgens nicht antworten. „Diese Frage gestattet das Schicksal nicht“, fand er. Er glaube daran, dass das Leben ein Geschenk sei, jede Stunde, jeder Tag, jedes Jahr. „Morgen kann ein dramatischer oder ein fröhlicher Tag sein. Es kann die Sonne scheinen oder ein Tsunami kommen. Wir können nur unser Leben leben. Aber wir können dem Schicksal kein Schnippchen schlagen.“
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So wie er sich die Unausweichlichkeit des Todes vorgestellt hat, so ist er gestorben. Bei einem Spaziergang, unter blauem Himmel, von einer Sekunde auf die andere. Ein schöner Tod eigentlich. Ein Tod, der ihm Schmerzen erspart hat, und das Bewusstsein, nicht mehr so leben zu können, wie er wollte.
Udo Jürgens war alterslos wie kaum ein Mensch. Das Altwerden bezeichnete er in meinem Interview zu seinem 70. Geburtstag als „schmerzvoll“, ja sogar als „Geißel“. Da war nichts Augenzwinkerndes wie bei Hans Dichand, mit dem ich 2007 ein Gespräch für das Branchenmagazin „Der Journalist“ geführt habe. Der sagte milde lächelnd einen wunderschönen Satz: „Eine Flucht vor dem Alter gibt es natürlich nicht. Denn ehe man sich’s versieht, ist es einfach da. Käme das Alter zur Tür herein, man würde sich umdrehen und davonrennen.Aber es schleicht sich so freundlich heran…“
Wie der Gedanke ans Sterben sei, wollte ich von Hans Dichand wissen. „Eigentlich ganz unwesentlich“, meinte er. „Es regt mich überhaupt nicht auf (...) Mir ist es so klar, dass ich sterben muss. (...) Wenn es morgen sein muss, vielleicht hier an diesem Tisch, dann macht es mir nichts. Es macht mir wirklich nichts!“
Die Gedanken an das Sterben zu erfragen ist in Interviews immer lohnenswert. Max Frisch hat in seinem Klassiker „Fragebogen“ 25 mögliche Arten formuliert. Ich mag besonders Nummer 18: Möchten Sie lieber mit Bewusstsein sterben oder überrascht werden von einem fallenden Ziegel, von einem Herzschlag, von einer Explosion usw.? Nachdenklich stimmt auch Nummer 24: Wenn Sie jemand lieben: warum möchten Sie nicht der überlebende Teil sein, sondern das Leid dem andern überlassen?
Helmut Zilk, dessen Biographie „Meine drei Leben“ ich kurz vor seinem Tod aufgezeichnet habe, wollte das nicht: „Ich lebe nur noch für meine Frau. Ich habe keine andere Aufgabe. Alles, was ich mache, mache ich in Wahrheit für sie. Alles, was ich versuche, versuche ich für sie. Alles tue ich ihr zuliebe. Sie ist jetzt mein Kompass. Ich möchte Dagi nicht allein lassen...“
Angst vor dem Tod habe er keine, sagte Zilk, der Dagmar Koller 2008 zurücklassen musste. „Ich glaube, nur wenige Menschen haben Angst vor dem Tod. Sie haben vielmehr Angst, den Tod in unwürdiger Form zu erleben. Schmerzvoll, leidvoll, hilflos. Oder, das ist das Schlimmste, einsam. Es gibt nichts Traurigeres als Einsamkeit. Ich bin jetzt 80 und nicht einsam. Das ist wohl das Wundervollste, was ein Mann im Herbst seines Lebens von sich behaupten kann.“
Georg Danzer wusste, dass er sterben muss. „Ich bin kein gläubiger Mensch, das muss ich Ihnen leider sagen, auch wenn Sie das traurig stimmt“, sagte er im Interview, das ich 2007 mit ihm geführt habe. „Ich habe auch keine Angst vor dem Sterben. Angst vor dem Sterben zu haben hieße, sich nicht bewusst zu sein über die Alternative. Die Alternative wäre ewig zu leben. Eine ganz furchtbare Vorstellung.“
Wie möchte ich sterben? Ich habe eine ziemlich kitschige Vorstellung von meinem Tod. Am liebsten wäre ich, so wie man es oft in italienischen Filmen sieht, auf viele weiche Kissen gebettet, es darf ruhig ein Gewusel rundherum sein, ich möchte meinen Kindern und Enkelkindern sagen, wie sehr ich sie liebe, keiner soll meine Katzen aussperren und dann möchte ich bei leiser, heiterer Musik einschlafen.
Was wäre meine Henkersmahlzeit? Ist übrigens auch von Max Frisch. Maximilian Schell hat mir im Gespräch zu seinem 80. Geburtstag die Geschichte über einen Schauspieler erzählt, der im Sterben lag und dem er Walderdbeeren aus den Wäldern rund um seine Kärntner Alm geschickt hat. „Die hat er noch gegessen, zwei Tage, bevor er gestorben ist.“ Also wären kärntnerische Walderdbeeren Ihre Henkersmahlzeit? habe ich insistiert. Doch Maximilian Schell schüttelte den Kopf: „Nein, denn dann würde ich mich ja festlegen, im Juni zu sterben. Ich will mich auf nichts festlegen. Meine Henkersmahlzeit wäre ein Schluck Wasser aus meinem Brunnen.“
Das schönste Zitat zum Thema Sterben hat mir der Dalai Lama gespendet. Er erzählte mir, dass er sich täglich auf den Tod vorbereite. „Für uns Buddhisten ist der Tod etwas ganz Natürliches, ein Phänomen, das zum Daseinskreislauf, zum Samsara, gehört. Der Tod ist selbstverständlich unerwünscht. Niemand möchte sterben. Niemand liebt den Tod. Aber wir müssen die Unvermeidbarkeit akzeptieren. Wenn man seine geistigen Kräfte beherrschen kann, braucht man sich selbst bei einem Flugzeugabsturz nicht zu ängstigen.“
Wie stellen Sie sich das Sterben vor? habe ich ihn gefragt. Er kicherte und meinte: „So, als würde ich eine abgetragene Kleidung gegen eine neue tauschen. Das könnte ja auch etwas ganz Wunderbares sein.“
Und wie möchtet ihr sterben?
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