Ich oute mich heute als größten Fan von Niki Lauda. Nicht ganz uneigennützig, ich geb’s zu: Er ist einfach der präziseste, schlaueste und unkomplizierteste Interviewpartner, mit dem ich in den letzten 29 Jahren (ein Wahnsinn, so lange mache ich das schon?) zusammengearbeitet habe. Oder wie Birgit Lauda es ausdrückt: „Er ist das kommodeste Kandl.“
Stichwort präzise: Krystian und Max, die beiden Studenten, die meine Interviews transkribieren, jubeln jedes Mal, wenn ich Niki Lauda ankündige (außer sie sind grad pleite). Während vergleichbare Gespräche bis zu 20 DIN-A4-Seiten füllen, passt ein Dialog mit Niki locker auf sechs bis acht Blätter. Das heutige “Krone”-Interview zu Todesflug „Four You Nine Five Two Five“ zum Beispiel. Da lässt Lauda keine Fragen offen. Er erklärt die Urangst beim Fliegen wie kein anderer, nämlich schlicht und „by facts only“. Gerade dadurch löst er aber Emotionen beim Leser aus. Und die Autorisierung geht ruck-zuck. Ich maile ihm den Text, er schickt ein paar Minuten später ein SMS: Bitte anrufen! Ich ruf' an, er sagt: „Alles okay, nur nimm bitte den ... raus.“
In der Vergangenheit war das einmal ein Volltrottel, ein anderes Mal die Bezeichnung „komplett wahnsinnig“. Für „Scheißautos“ hat sich Lauda ja bei Ferrari entschuldigt. Auch seine Kritik am ORF, er buhle jetzt schon mit gleichgeschlechtlichen Dancing Stars um Quoten, hat ihm nicht gutgetan. Den Co-Piloten des Germanwings-Fliegers nennt er, juristisch nicht ganz einwandfrei, schlicht einen „Mörder“. Mir ist diese Art von Ehrlichkeit hundertmal lieber als die Feigheit von Leuten, die jeden Satz dreimal umdrehen und dann nicht nur ihre eigenen Antworten, sondern auch noch meine Fragen im Nachhinein umformulieren wollen (ich erinnere mich da an einen Bundespräsidenten...)
Stichwort unkompliziert: Niki Lauda hat weder einen Pressesprecher noch eine Chefsekretärin. Seine Handynummer hat so viele Nullen, dass ich sie seit Jahren auswendig kenne. Vor allem weiß ich, dass er sofort abhebt – außer er sitzt grad im Cockpit. Grantig wird er nur, wenn man herumredet. Am liebsten sind ihm Telefoninterviews, da geht am wenigsten Zeit drauf. Am zweitliebsten trifft er seine Gesprächspartner frühmorgens im Cafè Imperial. Da kann er das Angenehme (Schnittlauchbrot und weichgekochtes Ei auf „Krone“-Rechnung) mit dem Nützlichen verbinden (Statement und Kapperl mit Sponsor-Foto in der auflagenstärksten Tageszeitung Österreichs).
Fehlt noch Stichwort schlau: Ich erinnere mich, wie er mich nach der Gründung von „Flyniki“ an eine Schwechater Flughafenadresse gelotst hat. Ich fand Niki – einer der ganz, ganz wenigen, mit dem ich persönlich, aber nicht in der Zeitung, per Du bin – in einem winzigen Kabäuschen an einem wackligen Schreibtisch sitzend. Dieses schiache Kammerl sollte sein neuer Firmensitz sein?? „Pass auf“, erklärte mir Niki. „Die meisten Firmengründer machen einen großen Fehler. Erst bestellen sie einen fetten Wagen, dann teure Büromöbel, dann stellen sie eine Sekretärin an. Und dann kommen sie drauf, dass sich das alles finanziell gar nicht ausgeht. Ich warte zuerst die Kontobewegungen ab.“
In den späten Achziger Jahren hat mir Niki einmal erklärt, dass er mit 10 Schillling pro Tag auskommt. Ich wollte wissen, was Geld für ihn bedeutet. Was er mir damals sagte, bestimmt bis heute meinen Umgang mit Geld. Man müsse, so Lauda, Geld lieber SAMMELN und BEHALTEN wollen als LOSLASSEN und AUSGEBEN. Nur dann vermehre es sich und zwar wie von selber. Nie vergessen werde ich auch seine Antwort auf meine Frage, - ich glaube es war zu seinem 60. Geburtstag - ob ihn das Älterwerden und der Gedanke an den Tod manchmal beschäftige? „Überhaupt nicht. Wir werden geboren und wir müssen sterben. Basta.“
Am meisten imponiert mir aber sein Umgang mit den zwei Tragödien in seinem Leben. Der Feuerunfall vom Nürburgring, der sich 2016 zum 40. Mal jährt: „Als ich mich nach dem Unfall im Spiegel sah, steckte der Kopf wie eine Riesen-Melone auf den Schultern“, erzählte er mir 2006. Das legendäre Kapperl schütze ihn seither vor „bösen Blicken“: „Es gibt Leute ohne Gespür, die starren ungeniert auf mein verbranntes Ohr“, so Lauda, „ohne Kapperl fühle ich mich bis heute nackt.“ Dass ausgerechnet der Glücksspielkonzern „Novomatic“ darauf Werbung macht, werfen ihm viele vor. Niki kümmert das wenig. „Die Idee hatte damals der Willy Dungl. Weil der Kopfverband nach dem Nürburgring-Unfall immer verrutscht ist, meinte er: Probier’s mit einem Kapperl! Das hält uns den Verband zusammen.“ Wenn’s auch noch viel Geld bringt...
Die Hölle, durch die er damals gegangen ist, war aber im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, nur ein Fegefeuer. Am 26. Mai 1991 stürzte eine Boeing seiner Lauda-Air über dem Dschungel von Thailand ab. 223 Menschen starben. Bei jedem Flugzeugabsturz kommen seither die Erinnerungen zurück.
Niki Laudas Art der Bewältigung mag vielen unheimlich erscheinen. Er sammelt Fakten, Fakten, Fakten.
Vielleicht treffen bei unseren Interviews zwei Gegenpole aufeinander. Nikis Liebe zu Fakten und mein Hang zu Emotion. Nikis Strenge und mein Humor. Nicht zuletzt teilen wir, da bin ich mir ganz sicher, das gleiche Verständnis von Medienarbeit. Ganz egal, wie gut es zwischen Lauda und Bischofberger läuft: Der Köder muss nicht dem Angler, sondern einzig und allein dem Fisch schmecken. Also dem Publikum.
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