„Ist manchmal auch gut, sich zu ergeben", hat mir vor drei Tagen ein Freund geschrieben, als ich noch überlegte, ob ich mit Kopfweh und Fieber zur Buchpräsentation einer Bekannten gehen soll. Weihnachten 2012 wollten wir uns das letzte Mal treffen. Wir kommen nie zusammen, weil wir beide immer so ein dichtes Programm haben. Zu dicht für einen Krankheitsspielraum. Und so genese ich normalerweise nach einem ganz einfachen Prinzip. Ich werde gesund, indem ich die Symptome verdränge. Conny, sagt mein Über-Ich, wenn mein Hals weh tut, nicht bös sein, aber das ist lächerlich!

Diesmal ist es Bronchitis. Die Ärztin besteht darauf, dass ich Clarithromycin schlucke, obwohl ich finde, dass auch heißer Whisky mit Honig und Zitrone die Keime erledigen würde.  Aber ich habe mich nun mal ergeben, und daran leidet jetzt mein gesamtes System. Nicht nur, dass sich die Keime gleich aufführen,  wenn das Über-Ich nicht mehr schimpft. Ich habe auch Entzugserscheinungen. Ich vermisse das Pressehaus und den herben Charme von Herrn Pauli, unserm Portier. Ich vermisse die Manhattan-artige Geborgenheit, die mir die meterhohen Türme von Zeitungen in meinem Büro geben (ich kann sie einfach nicht weghauen). Ich vermisse Snoopy, die mich jeden Morgen begrüßt, als sei ich das wichtigste Wesen in ihrem Kosmos (bis sie ihre zwei Hundekeksi bekommen hat). Mir gehen sogar die Konferenzen ab, bei denen es manchmal zugeht wie bei einer aus dem Ruder gelaufenen Gruppentherapie.

Der beste Job der Welt verfolgt mich. Dauernd schau ich ins Mail, obwohl eh eine Abwesenheitsnotiz eingegeben ist. Dauernd fallen mir Dinge ein, die ich unbedingt noch hätte erledigen müssen, bevor ich mich ergeben habe. In der Nacht träume ich von Links, die sich an mich heranschlängeln, höre ungelesene Nachrichten piepsen wie ein irr gewordenes Orchester. Ich kann sehen,  wie Tweets sich durch geheime Ritzen ihren Weg in meine Gedankenwelt bahnen. Schreiende Breaking News nehmen von mir Besitz, bis ich taub bin. Tausende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, Faymann politisch tot, das langsame Sterben der Videotheken. Alles klingt gleich. Ich fühle nichts mehr. Mein Hirn ist zugemüllt.

Zeit, abzuschalten. Aber wie? Auf der Suche nach geeigneten Methoden sind ein paar bemerkenswerte Dinge passiert. Erstmal hab' ich wirklich abgeschaltet. Computer, Fernseher, Waschmaschine, alles, was blinkt oder Geräusche macht. Der Zustand der Passivität und der Stille hat sich langsam auf meinen Seelenzustand übertragen. Dann hab' ich einfach nur meine Katzen gestreichelt. Ich könnte schwören, dass das Schnurren dieser wundersamen Geschöpfe heilsam ist. Ihre Körpersprache des Wohlgefühls besänftigt meinen unruhigen Geist immer wieder. Dann hab' ich mir eine Brotsuppe gekocht. Man braucht fast nichts dafür, nur Butter, Kümmel, ein bisschen Quendel vielleicht, altes Schwarzbrot  und einen Suppenwürfel. Es schmeckt elementar und köstlich. Auch  Geschirr abwaschen hilft. Das warme Wasser fühlt sich gut an und ich kann dann wenigstens kein Blackberry in der Hand halten.

Fazit: Ich versäume nichts, wenn ich zwei Tage lang keine idiotischen Facebook-Benachrichtigungen lese („Lisa hat Gregors Status kommentiert";), mir die Eitelkeiten auf Twitter nicht gebe, meine Mailboxen nicht abhöre. Ich werde nicht verrückt. Im Gegenteil: Mein zugemülltes Hirn wird langsam ausgemistet. Frei für die wirklich relevanten Dinge. Nachdenken über das Leben. Dankbar sein für das, was ich habe und mache. Gespräche mit Menschen führen, die ich mag.

Heute morgen nach dem Aufwachen hab' ich mich leicht wie eine Feder gefühlt. So, als hätte ich nie Bronchitis gehabt. Mein Über-Ich meint, ich sei eigentlich eh schon gesund. Diesmal geh' ich ihm aber nicht gleich wieder auf den Leim.

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