Wenn man Leute fragt, welche Dinge ihnen aus ihrer Heimat fehlen, ist die häufigste Antwort: Das Brot. Eine Irakerin, die seit über 20 Jahren in Österreich lebt, schenkte mir neulich einen Stapel frisches selbst gebackenes, duftendes Fladenbrot. Sie hat eine eigene Elektroplatte dafür und bäckt es wöchentlich – alles andere ist für sie kein echtes Brot. Für den Äthiopier nebenan ist ein Essen ohne den saure, schwammige Pfannkuchen Injera kein richtiges Essen. Und wer kennt nicht diese Sehnsucht nach „echtem“ Brot, die Österreicher und Deutsche nach längeren Aufenthalten in den Weißbrot-Wüsten und Toastwecken-Höllen dieser Erde überfällt?
Seltsamerweise beschleicht dieses Brot-Heimweh immer mehr Österreicher (und Deutsche!) im eigenen Land. In der Ödnis von Supermarkt-Backshops, die Import-Teiglinge aufblähen, und des Bäckersterbens muss man zur Heimweh-Kur der Auslands-Brot-Fans greifen: Selbst backen. Das muss nicht aufwändig sein. Auch wer sich keinen kapriziösen Sauerteig als Haustier halten will und seine Freizeit nicht mit youtube-Videos über das perfekte Formen von Semmeln verbringt, kann ein ordentliches Mischbrot hinbekommen. Außerdem: Es gibt nichts Besseres als Brot frisch aus dem eigenen Ofen – und kein schöneres Feiertags-Entschleunigungs-Programm, als es zu backen.
Dieses Rezept stammt von einer ausgewanderten Freundin ohne Back-Erfahrung, Talent und Küchenwaage, die vor Sehnsucht nach einem gemischten Wecken so lange in ihr badeschwammförmiges US-Toastbrot weinte, bis sie sich von ihrem heimatlichen Dorf-Bäcker ein idiotensicheres Rezept für Mischbrot schicken ließ. Sie nennt es seither „das beste Brot der Welt“, was vielleicht ein bisschen dem kulinarischen Heimweh geschuldet ist – aber gut ist es wirklich.
Dieses Brot gelingt immer, geht schön auf, hat eine dünne, knusprige Rinde und eine elastische Krume mit feinen Poren. Man sollte dafür etwa drei Stunden lang zu Hause sein. Dran arbeiten muss man maximal 15 Minuten, den Rest der Zeit kann man an der Playstation oder auf Facebook verbringen (oder – quasi Anti-Burnout-Booster - drei Stunden lang dem Teig zusehen, wie er sehr langsam größer wird.).
Man braucht:
900 ml weißes Weizen-Mehl (glatt) und 400 ml Roggenmehl, locker in einen Messbecher geschüttet
ODER 900 ml Dinkel-Vollkornmehl und 400 ml weißes Mehl (glatt)
(Man kann mit dem Mischverhältnis ein bisschen experimentieren. Das Brot sollte aber nie mehr als 1/3 Roggenmehl und immer mindestens ¼ weißes Weizenmehl enthalten, sonst ist es nicht mehr idiotensicher.)
1 gestrichener Esslöffel Salz plus noch eine Prise dazu
100 ml handwarmes Wasser
½ Würfel Germ (Hefe) oder ein 7g-Packerl Trockengerm (Trockenhefe)
½ Liter Buttermilch
Salz und Mehl in einer Rührschüssel mischen. Germ im warmen Wasser auflösen. Mit der Buttermilch auf das Mehl schütten und 10min mit den Knethaken des Handrührgeräts kneten. Mit der Hand geht es natürlich auch, braucht aber eher 15 Minuten – bis der Teig schön elastisch zusammenhält. Eine Kugel formen und unter einem Tuch ruhen lassen. Wecker auf 20 min stellen.
Nach 20 Minuten Ruhezeit Teig platt drücken, in die Länge ziehen und einmal in die Hälfte falten. Um 90 Grad drehen, nochmal ziehen und falten. Und dann noch ein drittes Mal. Wieder unter dem Tuch ruhen lassen. Wecker auf 10 min stellen.
Nach weiteren 10 Minuten Ruhezeit einen Laib formen. Ein guter Brotlaib braucht eine glatte, gespannte Oberfläche. Dazu dreht man die Hände leicht nach oben, legt sie unten an den Rand der Teigkugel und dreht die Kugel auf der bemehlten Arbeitsplatte, während man den Teig mit den inneren Handkanten unter den Laib schiebt. Der Teig wandert unten über die Kante ins Brot hinein, die Oberfläche dehnt und spannt sich zugleich. Nach einer Minute drehen sollte der Laib gut geformt sein. Auf ein Blech mit Backpapier setzen, zudecken und etwa 90 Minuten gehen lassen (wenn es kühl ist sogar bis zu zwei Stunden.) Wecker auf 30 Minuten stellen.
Nach einer halben Stunde – eine Stunde vor dem Backen – Backrohr auf Ober&Unterhitze schalten und die maximale Temperatur einstellen. Die meisten Backrohre brauchen so lange, bis sie wirklich heiß sind. Wecker auf 60 Minuten stellen.
Nach insgesamt 90 Minuten Gehzeit prüfen, ob der Teig fertig gegangen ist. Er sollte sich fast verdoppelt haben und sich weich anfühlen, Fingerdruck aber zurückbilden. Fühlt er sich noch eher fest an, noch ein bisschen gehen lassen. Dann schneidet man mit einem scharfen Messer tiefe, flache Schnitte in die Oberfläche, befeuchtet den Teigling ordentlich mit Wasser – das geht einfach mit der Hand - und schiebt ihn auf der untersten Stufe ins Rohr. Tür nur kurz öffnen – es soll jetzt sehr, sehr heiß sein. So bekommt das Brot eine dünne, knusprige Kruste. Wecker auf 15 Minuten stellen.
Nach 15 Minuten Backofentüre kurz öffnen, ärgste Hitze rauslassen und den Ofen auf 190 Grad runterdrehen. Wecker auf 45 Minuten stellen.
Weitere 45 Minuten backen. Sollte das Brot oben zu dunkel werden, kann man eine Alufolie drauflegen.
Rausnehmen. Warten, bis es lauwarm ist. Mit einem scharfen Brotmesser schneiden, Butter drauf.
Nie wieder gekauftes Brot essen wollen.
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