Gestern Abend wurde der russische Oppositionspolitiker Boris Nemtsov, ehemaliger Vizekanzler, mit vier Schüssen auf der Straße in Moskau ermordet. Es war, da sind sich Polizei und Politik einig, ein akkurat geplanter Auftragsmord.
Die Umstände laden, das gebe ich zu, zu schnellen Schlüssen ein:
--Nemtsov war einer der letzten lautstarken Kritiker Vladimir Putins.
--Er wurde in unmittelbarer Nähe zum Kreml ermordet – auf einer Brücke kaum 30 Meter von den Kreml-Mauern entfernt.
--Morgen, Sonntag – keine 48 Stunden nach dem Attentat – ist ein großer Anti-Putin-Marsch in Moskau geplant, Hauptorganisator des Marsches war Nemtsov.
--Nur drei Stunden vor seinem Tod veröffentlichte Nemtsov in „Echo“ einen Aufruf zu diesem Marsch. Er schrieb darin: „Die Haupt-Slogans des Marsches sind: Putin ist Krieg! Putin ist Krise!“
--Sein letzter Tweet – weniger als drei Stunden vor seinem Tod – ist ein Verweis auf diesen Artikel und Aufruf zum Anti-Putin-Marsch.
-Am 10 Februar – 19 Tage vor dem Mord – sagte Nemtsov in einem Interview: „Ich fürchte, Putin will mich ermorden.“
Das alles lädt zu schnellen Schlüssen ein. Tausende Kommentare auf Twitter, youtube, Facebook zeigen auf den KGB bzw. Putin selbst als Auftraggeber (ebensoviele natürlich auf die Gegenseite – false flag etc.). Putin selbst veröffentliche kurz nach dem Mord ein Statement, in dem er von einem Auftragsmord spricht und versichert, er werde die Aufklärung persönlich „kontrollieren“. Das erinnert viele an den Mord an der kritischen Journalistin Anna Politowskaya: Auch da versprach Putin, die Ermittlungen persönlich zu überwachen. Bis heute ist der Mord ungeklärt.
Allerdings: Es hat überhaupt keinen Sinn, Putin persönlich des Auftragsmordes zu verdächtigen. Private Mord-Ermittlungen aufgrund der paar Informationen, die nun über die Agenturen kommen, sind lächerlich.
Putins Verantwortung liegt ohnehin tiefer: Er hat ein System von Repression, Angst, Gewalt, Polit-Justiz und Propaganda geschaffen, in dem Andersdenkende jeglicher Art um ihr Leben und ihre Freiheit bangen müssen. Das trifft alle, die politisch oder gesellschaftlich nicht auf Linie mit der Regierung sind: Von politischen Aktivisten über internationale NGOs (Greenpeace) und Künstlerinnen (Pussy Riot!) bis hin zu Schwulen und Lesben. Jeder, der Putin herausfordert oder nicht nach den Vorstellungen der Regierung lebt, ist gefährdet – sei es durch ein Justiz-System, das allzu offensichtlich nach den politischen Vorgaben agiert, sei es durch Schlägerbanden und Mörder auf der Straße, die in einem Klima von Gewalt und Hetze offen agieren können.
Ich schlage also vor, die Spekulationen um die persönliche Involvierung Vladimir Putins in den Mord an Boris Nemtsov einfach zu beenden. Es gibt übergeordnete Verantwortung Putins, über die sich eine Diskussion lohnt: Er und seine Regierung haben das System und das Klima geschaffen, in dem solche Morde möglich sind – und das nicht nur an prominenten Oppositionellen.
ps Achja, die Chemtrails: Man bekämpft sie am besten, in dem man getrockente Kuhscheiße verbrennt. Meine Lieblings-Anleitung dazu findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=uKVjlMdwSI4
pps extra für die Twitter-Alphas ein Disclaimer: alles hinter dem ps ist ironisch gemeint.