Team Schäuble vs. Team Varoufakis: Wer hat jetzt gewonnen?

Seit gestern Abend bekomme ich ratlose Fragen, wer denn nun im Eurozonen-Poker um die Finanzhilfen für Griechenland gestern gewonnen hätte: Die Hardliner, angeführt von Schäuble, oder die neue griechische Regierung mit Finanzminister Varoufakis?

Denn wer gestern nach der Krisensitzung der Eurogruppe die Pressekonferenzen von Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble und seinem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis verfolgte, musste den Eindruck gewinnen, dass die beiden auf völlig verschiedenen Veranstaltungen waren. Beide sagten, der andere hätte nachgegeben. Und sie selbst hätten genau bekommen, was sie wollten. Die Medien und Kommentatoren haben sich fast durchwegs in zwei Lager gespalten und rapportierten den jeweiligen Sieg.

Nun freut mich das Vertrauen, aber die Frage „wer hat gewonnen“ ist natürlich unbeantwortbar. Finanzpolitik ist kein Fußballspiel, es geht nicht um einen Sieg, sondern um den Bestand der Eurozone und die Rettung Griechenlands vor dem Kollaps.

Da ich mich (ironisch!!!) gestern aber auch an der Sportmetapher beteiligt habe, hier trotzdem ein Versuch der Punkteverteilung - jeweils aus Sicht der Kontrahenten:

Punkt für Team Varoufakis:

-Die Troika ist weg.

Punkt für Team Schäuble:

-Die Akteure allerdings bleiben dieselben, mit denselben Kompetenzen, und heißen jetzt „die Institutionen.“

Punkt für Team Varoufakis:

-Griechenland kann sich nun selbst aussuchen, welche Sparmaßnahmen es setzt.

Punkt für Team Schäuble:

-Griechenland muss allerdings am Montag die Sparmaßnahmen der Troika den Institutionen vorlegen und auf deren Zustimmung hoffen.

Punkt für Team Varoufakis:

-Das Sparziel von 3% Primärüberschuss (Also Budgetüberschuss vor Zinszahlungen) muss im Jahr 2015 nicht eingehalten werden.

Punkt für Team Schäuble:

-Die Aufweichung des Sparzieles ist aber nur für die kommenden Monate zugestanden. Für 2016 werden Schäuble zufolge aber nach wie vor 4,5% Primärüberschuss (also Überschuss vor Zinszahlungen) im griechischen Budget erwartet.

Zusammengefasst: Es ist ein unentschieden, bei dem beide Seiten das Gesicht wahren konnten. Die neue griechische Regierung hat vier Monate Zeit, um ein Programm auszuarbeiten und verhandeln, das die Folgen der bisherigen Sparpolitik auffängt und den Menschen & Unternehmen wieder eine Perspektive gibt. Und die restlichen Länder der Eurozone haben das Versprechen bekommen, dass Griechenland die Schulden zurückzahlen wird – wenn auch vielleicht auf andere Art als bisher.

Die Lösung verdanken wir „den Institutionen“: Den Vernehmen nach waren es EU-Kommission, IWF und EZB, die den aggressiv auftretenden deutschen Finanzminister und die unwilligen anderen südeuropäischen Länder wie Spanien und Portugal zum Einlenken brachten. Und man muss dankbar sein, dass sie bei den Verhandlungen beteiligt waren.

Denn die größte Gefahr beim groß inszenierten Showdown gestern lag nicht in inhaltlichen Differenzen, sondern in politischer Taktik: nach die Regierungen der Eurozone sind durchwegs von Großparteien besetzt. Und die hätten großes Eigeninteresse daran, die neugegründete linkspopulisitsche Syriza scheitern zu lassen (das gilt insbesondere für Spanien, wo die ähnlich gelagerte „Podemos“ in den Umfragen weit vor Sozialisten und Konservativen liegt.)

Und deshalb ist ein Ergebnis fix: In vier Monaten werden wir uns wieder ein paar Nächte mit Eurogruppen-Krisentreffen um die Ohren schlagen. See you then.

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Herbert Erregger

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