Akademiker, Berufserfahrung, mobil – das andere Gesicht der Arbeitslosigkeit

20.010 Akademiker waren im März 2015 arbeitslos – dies bedeutet im Zeitraum 2007-2015 eine Steigerung von +135%. Im Vergleich dazu stieg die Arbeitslosigkeit der Nichtakademiker "nur" um rund 52%. Was läuft falsch in unserem schönen Land?

Üblicherweise verbindet man in Österreich mit dem Thema Arbeitslosigkeit Begriffe wie Schulabbrecher, Schwervermittelbarkeit oder zu geringe Qualifikation für die steigenden Anforderungen des Erwerbslebens.

Dabei übersieht man jedoch eine Entwicklung, die in Österreich seit 2012 konsequent vorliegt:

Seit fünfeinhalb Jahren ist die relative Veränderung bei den arbeitslosen Akademikern (mit Ausnahme von drei Monaten im Jahr 2012) höher als jene der Nichtakademikern. Positive Veränderung nach vorne gerichtet nicht auszumachen.

Betroffen vom Zuwachs seit 2007 sind vor allem Absolventen der philologisch-kulturkundlichen , aber auch sozial-wissenschaftlichen und teils technischen Studiengänge.

Interessanterweise gibt es seitens AMS keine Statistik wie die Akademiker-Arbeitslosigkeit sich in den Altersstrukturen verteilt - man kann aber davon ausgehen, dass speziell im Altersbereich 45+ der Anteil der arbeitslosen Akademiker erheblich höher sein wird als kurz nach Abschluss des Studiums.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung?

In einem Ö1-Interview hat AMS-Vorstand Buchinger klar gemacht, dass der aktuelle Zuzug in den heimischen Arbeitsmarkt vor allem durch Höherqualifizierte erfolgt. Heisst im Klartext: Aus den EU-Ländern kommen vor allem Menschen mit tertiärer Ausbildung, Fremdsprachenkenntnissen und eventuell sogar Berufserfahrung. Diese sind dann auch bereit, zu im österreichischen Vergleich niedrigeren Gehältern zu arbeiten, da diese noch immer höher sind als zumeist in ihren Heimatländern. Vor diesem Hintergrund ist auch die seit letztem Sommer verpflichtende Angabe von kollektivvertraglichen Mindestgehältern bei Stellenausschreibungen zu hinterfragen -die in den Ausschreibungen genannten Beträge kommen selten über € 3.000,- und stellen(auch nach Aussage der ausschreiben Personalvermittler) die Wirtschaftsrealität kaum dar. In Fakt befeuern sie aber die Tendenz Gehälter nach unten zu drücken - als Stellensuchender muss ich wohl schon ein großes Ego haben, um bei einem angegebenen Mindestgehalt von € 2.800,- ein realistisches Gehalt von z.B. € 5.000,- zu verlangen - dies vor allem vor dem Hintergrund, dass aktuell lt Aussage von Headhuntern auf viele Ausschreibungen oft 250 oder mehr Bewerbungen eingehen.

Ein weiteres Thema welches diese Entwicklung viellleicht aktuell noch nicht so befeuert, aber in Zukunft sicher bedeutender werden wird: Technologie wird Arbeitsplätze vernichten - und zwar diesmal nicht so sehr auf Ebene Fliessbandarbeit, sondern vor allem auch im qualifizierten Tätigkeitsbereich. Ob es der recherchierende Jurist ist, oder der Risk-Manager in einem Finanzinstitut - in diesem Bereich breiten sich Technologien und technologische Substitutionslösungen immer schneller aus und verdrängen menschliche Arbeitskraft.

Was bedeutet dies nun für den einzelnen Betroffenen? Aus heutiger Sicht wird das Individuum immer stärker eine Lebensarbeitsplanung vornehmen müssen, will er in Beschäftigung bleiben und seinen Lebensstandard halten. Der Bedarf an Mehrfachqualifikation wird noch mehr zunehmen - der Einzelne wird aber auch immer stärker bereit sein müssen, zwischen Beschäftigungsmodellen wie Anstellung, freier Mitarbeit und Selbstständigkeit fliessend zu wechseln. Dies trifft vor allem auf die Altersklasse der 45+jährigen zu: Will man am heutigen Arbeitsmarkt nicht Mitte 40 wieder mit einem Einstiegsgehalt welches man schon als 28-30jähriger verdient hat beschäftigt werden, so bleibt wohl nur der Wechsel entweder in die Selbstständigkeit oder in andere regionale Arbeitsmärkte. Mobilität, wie wir sie in Österreich noch nie gekannt haben wird wohl in den nächsten Jahrzehnten ein prägendes Element der Entwicklung sein. Wenn der österreichische Arbeitsmarkt schwächelt, in Deutschland aber auf Grund der demographischen Entwicklung Chancen entstehen, dann wird man in Zukunft wohl bereit sein müssen einen Ortswechsel zu akzeptieren, wenn man in Beschäftigung bleiben möchte.

Auf all diese Entwicklungen bereitet das österreichische Schulsystem die Schulabgänger aktuell(und wahrscheinlich noch lange nicht) vor. Und die bereits im Erwerbsleben Stehenden können sich auch nur selbst weiterbilden, denn auch Seitens AMS gibt es zum Thema Mobilität aktuell keine angebotenen Programme - schöne neue Arbeitswelt!

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Johanna Vedral

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