Die westliche Welt versucht Realitäten in einfachen Bildern zu erklären - so war es simpel, den chinesischen Unternehmer Guo Guangchang das Mäntelchen "der Warren Buffet von China" umzuhängen. Augenscheinlich ist es dann aber doch so, dass die chinesische Realität doch wesentlich komplexer ist, als es sich der Durchschnitts-Europäer vorstellen kann.
Denn Mitte letzter Woche verschwand Herr Guo von einem Tag auf den anderen von der Erdoberfläche. Die Aktien seines Unternehmens Fosun wurden daraufhin vom Handel ausgesetzt - niemand konnte sich das Ganze erklären.
Herr Guo nimmt auf der aktuellen Liste der chinesischen Reichen aktuell Platz 15 ein - mit einem geschätzten Vermögen von 7,2 Mrd USD.
Fosun und Herr Guo machten in den letzten Monaten und Jahren vor allem auch durch eine ausgiebige Akquisitionstour durch Europa Schlagzeilen - ob Schmuckhändler, Modekette oder Privatbank, überall zahlte die Fosun-Gruppe im Vergleich doch sehr respektable Bewertungen für die zu akquirierenden Unternehmen. Dies, und die Tatsache das der Branchen-Mix der Akquisitionen doch sehr bunt gemischt war, hatte in der Vergangenheit bei europäischen Beobachtern zu einigen Fragen geführt.
Zwei Tage später kam dann die Erklärung nachgeliefert - Herr Guo sei auf Festland-China, um die chinesischen Behörden bei der Verbrechensbekämpfung zu assistieren. Bald darauf tauchte auch wieder ein Foto des Herrn Guo bei einer Rede anlässlich einer Firmenveranstaltung von Fosun auf.
Augenscheinlich ist die Anti-Korruptionskampagne des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in der Privatwirtschaft Chinas angekommen. Spätestens seit es im Sommer 2015 zu einem veritablen Börsen-Crash mit Verlusten von bis zu 30% gekommen war, setzten Chinas Autoritäten alles daran, die Gewinner der Marktöffnung Richtung Marktwirtschaft wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Die Mittel sind dabei weniger subtil als drakonisch: Aktuell vermissen mehrere Hedgefonds, aber auch ein Medienkonzern Personal. Erst Anfang Dezember starb ein anderes ehemaliges Unternehmer-Wunderkind kurz vor Haftentlassung angeblich an Herzinfarkt - Xu Ming einst Topunternehmer wurde im Rahmen der Affaire um den Bürgermeister von Dalian, Bo Xilai verhaftet und wegen Korruption zu einer Haftstrafe verurteilt.
Ähnlich wie in Russland nach den ersten Jahren des Turbokapitalismus greift das Regime nun auch in China ein, um langfristige Stabilität zu sichern. An der Zeit ist es - das Land sitzt auf einer veritablen Immobilienblase, auch der Bankensektor wird regelmässig von Gerüchten rund um Schattenbanken und faule Kreditportfoli in Milliardenhöhe erschüttert.
Auch beim Börsencrash vom Sommer 2015 haben viele Durchschnitts-Chinesen Verluste hinnehmen müssen.
Man wird sehen, wie die staatlichen Aktivitäten rund um das Thema Korruptionsbekämpfung weitergehen werden, und welche Spuren sie im chinesischen Wirtschaftssystem hinterlassen werden. Klar ist, dass sich europäische Unternehmen mit Aktivitäten im chinesischen Markt auf doch turbulentere Zeiten einstellen sollten.
Zum Abschluss ein Tipp für die kommenden Weihnachtsfeiertage:
Qiu Xialongs Thriller spielen seit Jahren im neuen China mit all seinen Spannungsfeldern und Bruchlinien. "Tod einer roten Heldin", sein Erstling vermittelt wirklich intensive Bilder und profunden Background zu diesem Thema.