FPÖ-Wahlanfechtung – eine Chance für die Demokratie.

Es ist also passiert, was man schon seit längerem vermutet hat: HC Strache zieht gemeinsam mit Norbert Hofer und einem nicht näher identifizierten Wähler vor Gericht, sie fechten die Wahl an. Hintergrund seien zahlreiche qualitativ und quantitativ nachgewiesene Fälle von Verstößen gegen die Wahlordnung oder einschlägige Gesetze.

Atemlos sehen Österreich und das benachbarte Deutschland diesem inszenierten Event zu, ein Raunen geht durch die gespaltene Gesellschaft. Brandgefährlich sei das Vorgehen der FPÖ, zitiert ein Blogger auf F&F, endlich Gerechtigkeit meinen die Norbert Hofer Getreuen. Doch warum die Aufregung? Kann in diesem formal juristischen Vorgang nicht auch eine große Chance für die in Österreich mittlerweile stark erodierte Qualität unserer demokratischen Prozesse liegen?

Betrachtet man das ultra-knappe Wahlergebnis, die doch über weite Strecken problematische Art und Weise, wie da polarisiert und (natürlich auch auf beiden Seiten) gehetzt wurde, dann kann man nur schlussfolgern, dass eine gründliche und transparente Aufarbeitung für unser Land, aber auch für uns als Wähler und Staatsbürger eine Wohltat darstellen sollte.

Wir wissen mittlerweile, dass es ja nicht so ist, dass bei dieser Wahl alles so abgelaufen ist, wie es hätte sein sollen. Wenn man die seitens des Innenministeriums verlautbarten aufgedeckten Fehlverhalten ansieht, dann überlegt man sich schon, ob es darum geht, eine Gemeinderatswahl in Burkina Faso zu beaufsichtigen.

Es gibt gerade bei einem sensiblen Thema wie dem Briefkartenwahlrecht einfach fix vorgegebene Termine und Abläufe - Wahlorganisationen/Sprengel. Sich über diese Regeln hinwegzusetzen und einfach vor der Frist auszählen, ohne Kommission die Wahlkartenkuverts öffnen und schlichten, all das trägt dazu bei, einen Mythos der Wahlfälschung aufzubauen. Sei es aus Dummheit, wider besseren Wissens oder schlicht auch Schlamperei. Wenn dann auch noch herauskommt, dass man nicht einmal in der Lage ist, dass Einhalten des korrekten Wahlalters flächendeckend zu gewährleisten, dann ist Feuer am Dach.

Es ist bezeichnend für unsere politische Kultur, dass, wie alles andere in diesem schönen Land, auch der Wahlapparat in schwarz/rot aufgeteilt ist: Wir haben einen schwarzen Innenminister, einen roten Funktionär der den Leiter der Wahlbehörde gibt – all das Relikte vergangener Jahrzehnte und überalter Herrschaftsansprüche, die durch keine Wählermeinung mehr gedeckt sind.

Es bleibt zu hoffen, dass der Verfassungsgerichtshof unbeirrt und unbeeindruckt von möglicher politischer Einflussnahme sein Urteil abgibt, und dies auch hoffentlich mit größtmöglicher Transparenz hinsichtlich der Haltbarkeit der vorgebrachten Vorwürfe.

Wenig wäre uns geholfen mit einem dem Innenminsteriums-Statement vergleichbaren Zwei-Zeiler des Inhalts - war nicht so schlimm, alles bleibt so wie es war.

Nein, man sollte schon maximal an die Vorwürfe herangehen, und tatsächliche Versäumnisse, aber auch Überzeichnungen seitens der FPÖ klar aufzeigen. Nur eine wirkliche Aufarbeitung der Vorwürfe wird zu einer unbeschadeten Amtszeit für Dr. Van der Bellen führen - ansonsten werden wir die ganze Amtsfunktionszeit hindurch die ewig gleichen Anschuldigungen wieder und wieder hören.

Die Verhaltensweise des siegreichen Kandidaten zeugt doch auch von einem etwas übertriebenen Sendungsbewußtsein angesichts seines mit 30.000 Stimmen extrem knappen Vorsprungs. Sich da schon einen Tag später (und bevor man das Amt überhaupt angetreten hat) gegenüber deutschen Medien bezüglich einer Regierungsbildung durch HC Strache festzulegen, erscheint zumindestens hinterfragenswert. Es zeigt aber auch, wie weit die Realität VdB vom "ich liebe Euch alle, und decke alle Eure Ansprüche ab"-Wahlkampf der letzten 14 Tage vor der Stichwahl entfernt ist. Man muß es offen aussprechen - ja, mit äußerster Kraftanstrengung haben das Establishment und alle besorgten Bürger dieses Landes einen Präsidenten Hofer kappestmöglich verhindert.

Sorgen wir durch eine saubere offene und transparente Abwicklung der Wahlanfechtung dafür, dass unser politisches System wieder ein bißchen sauberer wird. Wir sind es unseren Kindern schuldig.

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