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Es hätte auch Teil der Inszenierung sein können: Mitten in einer Aufführung von Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen" im voll besetzten Audi-Max der Universität Wien stürmten etwa 40 Mitglieder der "Identitären" die Bühne und entrollten Transparente und Fahnen. Nach einer kurzen Auseinandersetzung konnten die Eindringlinge aus dem Saal gedrängt werden, die Schaupspieler(unter ihnen auch Flüchtlinge) entschieden sich die Aufführung weiterzuspielen.

Mit dieser Aktion haben die "Identitären" einen weiteren Beweis dafür abgeliefert, dass sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen. Schon Anfang April waren sie durch die Besetzung des Dachs des Grünen-Parteibüros in Graz medial aufgefallen - nun also die doch dreiste Aktion im Zentrum der Bundeshauptstadt.

Die "Identitären" sind aber nur ein Teil des aktuell aufkochenden Bestrebens nach Aktionismus in der heimischen Politik. Die ANTIFA-Bewegung hat schon seit längerem die "Identitären" und ihre Aufmärsche als Schauplatz von Gegendemonstrationen oder Störmanövern gewählt - schon im Vorjahr war es dabei mehrmals zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen beiden Gruppierungen gekommen. Nun hat man (wie auch die Jugendorganisation der SPÖ) augenscheinlich auch den Bundespräsidentenwahlkampf als geeignetes Betätigungsfeld erkannt, und hat in den letzten Wochen mit der Beschädigung von Plakatständern und Ankündigung wie "man werde jeden Auftritt des FPÖ-Kandidaten Hofer begleiten" Eskalationsschritte eingeleitet.

Was sich hier aufbaut ist ein Szenario, wie es den 1920/1930er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht unähnlich ist: Die Großparteien verlieren an Bedeutung, ihre Unterorganisation versuchen durch Aktionismus eine Existenzberechtigung zu legitimieren. Die FPÖ und andere noch weiter rechts stehende Strömungen nutzen die durch die schlechte Wirtschaftlage in Kombination mit der Flüchtlingswelle entstandene Spaltung in der Gesellschaft um ihre aktuell sehr guten Popularitätswerte noch zu steigern. Schleichend tritt dabei ein Effekt des Aktionismus und auch der Gewaltbereitschaft ein.

Augenscheinlich hat aber keine der im Parlament vertretenen Parteien ein Interesse daran, diese Entwicklung zu dämpfen oder gar zu stoppen - es wird schlicht nicht darüber gesprochen. Frei nach dem Leitsatz: "Worüber ich nicht spreche, dass existiert auch nicht".

Auch Bundespräsident Fischer könnte mahnende Worte finden(wie es sein deutscher Kollege Hr. Gauck regelmässig tut) - doch leider, in den letzten Wochen/Monaten seiner Regentschaft ist man lieber staatstragend im Ausland unterwegs, als dass man wirklich nachhaltig die politische Kultur im Inland steuern könnte.

Es bleibt nur zu hoffen, dass Justiz und Exekutive alle extremen Elemente in diesem aktuellen Wirrwarr konsequent verfolgt und damit eine "null-Toleranz-Politik" gegen politische Gewalt kommuniziert und exekutiert.

Wer auch immer BundespräsidentIn wird, sollte als erstes Ziel eine Befriedung der österreichischen Gesellschaft und ein Aufbrechen des Gestaltungs-Stillstands der aktuellen Regierung auf der Agenda haben - denn wir wollen wohl alle nicht zurück in die Vergangenheit, oder?

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Andreas Große

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fischundfleisch

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