"House of Cards" für Arme - Betrachtungen zu einem viel zu langen Bundespräsidenten-Wahlkampf

Wir haben es also endlich hinter uns gebracht. Nach gefühlten 100 Jahren Wahlkampf zum Amt des Bundespräsidenten sind die Abschlussveranstaltungen gefeiert, die Medienkonfrontationen geschlagen und der nachdenkliche Staatsbürger bleibt frustriert/erschrocken zurück.

Wie kann es angesichts zweier so durchschnittlicher Kandidaten in unserem Land zu einer solchen Polarisierung kommen? Wie kann man Seitens der Medien(und natürlich im Hintergrund sicher auch der politischen Parteien) diesen Wahlkampf zu einer Auseinandersetzung zwischen Licht und Dunkel, Gut und Böse hochstilisieren? Woher kommt diese permanente Lust am Daherschreiben eines neuen NS-Regimes? Wer die Wortmeldungen und Konfrontationen der beiden Restkandidaten mitverfolgte, der muß zwangsläufig erkannt haben, dass es sich bei beiden, Van der Bellen und Hofer, nicht um unabhängige überparteiliche Bewerber handelte. Beide sind klare Proponenten ihrer politischen Parteiheimaten und Ideologien, und versuchen mehr(Van der Bellen) oder weniger(Hofer) den Wählern vorzugaukeln, dass dies nicht so ist.

Es ging über die ganze Strecke dabei nicht um ein Duell "elder statesman" vs. Rechtspopulist. Was man bei diesem Wahlkampf klar erkennen und verstehen lernen konnte war, wie man auf der "hellen" Seite der Politik/Meinung so tickt. Ich habe in meinem ganzen Leben als wählender Staatsbürger noch niemand sich so verstellen sehen, wie es VdB getan hat. Das permanente und immer umfassendere Buhlen um nur jede mögliche Wählerstimme ("Jagdgewehre sind keine Waffen", "vielleicht trete ich wieder der katholischen Kirche bei";) war zu Ende wirklich nur mehr ungustig und auch die Person VdB´s beschädigend.

Es wurde auch klar, wie weit man in Österreich bereit ist zu gehen, um nur ja den politischen Konkurrenten zu schädigen -und interessanterweise hat sich hier vor allem das Lager VdB´s hervorgetan. Das Wahlkampf kein "Shalom-Spiel"(Zitat Torberg/Tante Jolesch) ist, das ist klar und daher sind gewissen Hinterfotzigkeiten erwartbar. Das aber bereits vor Beginn des Wahlkampfs zu Demonstrationen gegen ein zu erwartendes Viertes Reich aufgerufen wird, dass man mehr oder weniger gut beleumundete ausländische Politiker dazu bringt, sich auch noch in unseren Wahlen einzubringen(vielen Dank Hr. Schulz/Junker -vielleicht sollten Sie vorher sich aber noch um die AFD kümmern)das führt beim kritischen Bürger nur mehr zu Brechreiz. Und das Niveau ist dann konstant nach unten marschiert. Für mich eines der negativen Highlights war wohl die Bemerkung von Fr. Stemberger, dass man alles tun müsse um Hofer als Bundespräsidenten zu verhindern, bis hin zu "ein wenig Kriminalität"(was auch immer das heißt) - das sich VdB als Kandidat von Armin Wolf in der ZiB 2 darauf angesprochen zuerst auf "das habe ich nicht gehört" beruft, nur um einen Satz später(scheinbar sickerte die Erinnerung da) zu vermelden "er könne sich nicht vorstellen, dass Fr. Stemberger etwas Negatives von sich geben würde", und sich partout weigerte eine Distanzierung auszusprechen, wirft wohl auch ein wenig Licht auf das was man im Bobo/Gutmenschen-Milieu vorrangig sieht, nämlich den eigenen Erfolg um jeden Preis.

Negatives Highlight ist jene Allgemeinmedizinerin aus NÖ, die sich mit Foto in einer gratis aufliegenden Publikation präsentiert und meint "als sie gehört hat, dass Hofer ein anderes Amtsverständnis einfordere, war ihr klar das sie handeln müsse" - die Folge Sachbeschädigung durch die Medizinerin persönlich an einigen Plakaten Hofers und sehr viele Zweifel an der menschlichen/intellektuellen Qualität des Mediziner-Berufsstands Seitens meiner Person.

Wie überhaupt die Medien eine durchwachsene Rolle in diesem "House of cards für Arme"(O-Ton BK Kern)spielen/spielten.

"Der Standard" verstand es vom ersten Tag an, sich in einem Verve und einer Intellektualität die einer "Prawda" oder "Arbeiterzeitung" würdig wären gegen den Ansturm der Nazis und Ewiggestrigen zu stellen. Das mittlerweile keine Analyse, kein Artikel in dieser meiner ehemaligen Lieblingszeitung mehr ohne mehr weniger subtiles Hofer-Bashing auskommt, das tut nur mehr weh - und offenbart das Grunddilemma des österreichischen Journalismus: man schmort im eigenen Saft, und bei genauerer Durchsicht der Qualität der publizierten Artikel kann einem angesichts des oft NMS-Niveaus der Schreibenden wirklich schummrig werden.

Man tat sich also nicht wirklich schwer Kornblumen, Burschenschaften, Orbanisierung und Viertes Reich zu beschwören. Wenn man nun erwartet hätte, dass man in der Rolle der kritischen Medien auch den zweiten Kandidaten ähnlich kritisch ausgeleuchtet hätte, dann wurde man enttäuscht. Obwohl VdB einige wirklich seltsame Dinge von sich gab, und auch die Zusammensetzung seiner so oft angesprochenen Unterstützerliste durchaus hinterfragenswert gewesen wäre(Jean Claude Junker - wirklich "Alexander"?) - die Fragen blieben aus, und man liess VdB in der Komfortzone des gütigen Großvaters beim Kasperltheater.

Negativer Höhepunkt des ganzen Wahnsinns war dann die ORF Kandidatenrunde vom Donnerstag. Ich weiß nicht, wer Ingrid Thurnher im ORF oder der österreichischen Politik die Stange hält - aber das was sie sich hier unter dem Deckmantel der "politischen Konfrontation" und "Aufklärung" geleistet hat, war wirklich des Staatsrundfunks einer Bananenrepublik mit autoritärer Führung würdig. Selten habe ich so offensichtlich Bevorzugung eines Kandidaten bei gleichzeitiger Herabsetzung eines anderen Kandidaten erlebt. Man muss nicht einer Meinung mit einem Politiker sein, aber als Moderator ist man zu einem Mindestmass an Objektivität verpflichtet. Der nicht gelungene Coup rund um den Vorfall am Tempelberg stellt dann nur mehr das Sahnehäubchen an grottenschlechtem Journalismus dar. Wie wir seit einer gestrigen Veröffentlichung des ORF wissen, ist der Versuch Hofer zu blamieren ja nur schiefgegangen, weil ein ORF-Mitarbeiter bei der Google-Recherche nur das Schlagwort "killed" eingegeben hat - da die angeschossene betreffende Frau aber nur verletzt wurde, habe man daher vom tatsächlich stattgefundenen Ereignis keine Kenntnis erhalten. Ist aber auch egal, denn wer beim vom Staatsbürger bezahlten Staatsrundfunk arbeitet, der muß sich um solche Kleinigkeiten nicht kümmern. Es ist bezeichnend, dass Armin Wolf 5 Minuten nach Ende der TV-Konfrontation schon den tatsächlich stattgefundenen Vorfall präsentieren konnte -ein Schelm der schlechtes dabei denkt.

Wir haben diesen Wahlkampf also überlebt, unsere Gesellschaft ist gespaltener als vor Beginn. Wer auch immer die Wahl morgen gewinnen möge, er soll sich vom ersten Tag an darauf besinnen, dass er ein Bundespräsident aller Österreicher zu sein hat. Und er soll Österreich und seinen Bürgern wieder ein Gefühl des Stolzes auf diese Nation und sein Amt zurückgeben.

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baur peter

baur peter bewertete diesen Eintrag 21.05.2016 08:50:14

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