"Eine autonome Entscheidung die man respektieren muss", "ein mutiges Experiment" - so klingen die Worthülsen der führenden Köpfe der SPÖ-Bundespartei zu Herrn Niessl Entscheidung entgegen aller Parteilinien, Parteitagsentscheidungen und schlicht auch dem politischen Selbstverständnis seiner eigenen Partei eine Koalition mit der FPÖ einzugehen. Für den einfachen Staatsbürger stellt sich nun die Frage: Wähle ich im Burgenland eine andere SPÖ als im Rest Österreichs - was bekomme ich für meine Stimme am Ende des Tages tatsächlich?
Diese Frage können sich auch die Wähler in der Steiermark stellen: Zwar hat die Reformkoalition mit massiven Stimmverlusten gerechnet und der Landeshauptmann auch angekündigt bei einem Ergebnis unter 30% "wegzusein". Nur: Die Wahl ist geschlagen, die Ergebnisse sind schlechter als erwartet, die SPÖ Steiermark liegt unter 30% - ändert das etwas an der Regierung? Mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht(außer SPÖ und ÖVP wollen unbedingt mit der FPÖ ihr eigenes Süpplein kochen), auch der Landeshauptmann wird bereits bekannt sein.
Zur selben Zeit im selben Land: In Traiskirchen gibt der Bürgermeister eine Weisung heraus wonach aus feuerpolizeilichen Gründen massiv Lagerinsassen verlegt werden müssen. Dies geschieht auch durch das Innenministerium - die Flüchtlinge werden ebenfalls in Traiskirchen in einem Zeltlager untergebracht. Die Innenministerin stellt den Bundesländern zu diesem Zeitpunkt das xte Ultimatum die verpflichtenden Unterbringungsquoten zu erfüllen - Resultat: Aus den Bundesländern kommt ein klar artikuliertes "Mit Druck wird man sicher keine Quotenplätze schaffen". Na dann, warten wir halt noch einmal 20 Jahre bis sich vielleicht (oder auch nicht) etwas zum Besseren ändern wird.
Währenddessen arbeitet die Bundesregierung und das Finanzressort daran, die Grundrechte der Österreicher subtil und still und leise zu verabschieden. Zentrales Kontenverzeichnis, Spendendatenbank, Erfassung von Fingerabdrücken, Generalverdacht - all dies geschieht aktuell und ohne größere Verwerfungen in der österreichischen Zivilgesellschaft zu erzeugen. Während wir mit dem Finger auf die USA und ihre Geheimdienste zeigen, beweisen unsere Bundesbehörden das sie des Metternich´schen Erbes würdig sind.
Die Liste der aktuellen(und oft schon jahrzehntelang existierenden) Wahnsinnigkeiten ist eine mittlerweile beängstigend lange geworden - nur die Bürger reagieren nicht darauf. Nach wie vor werden die Großparteien gewählt, nach wie vor ist die Mehrheit der Österreicher der Meinung das "die da oben" schon wissen werden, was zu tun ist.
Die aber sind augenscheinlich an einem Punkt angekommen, wo sie augenscheinlich massiv überfordert sind. Überfordert von den Dynamiken der aktuellen Zeit, die keine Rücksicht mehr auf das kleine Österreich und die Wünsche seiner neun Landeshauptleute mehr nimmt.
Es rächt sich, dass man über Jahrzehnte Reformen in zentralen Bereichen wie dem Bildungswesen oder dem Bereich des Beamtentums aus politischen Interessen verschlampt hat. Unser Kinder büssen bereits und erhalten eine Schulausbildung die im besten Fall als durchschnittlich zu bezeichnen ist. An den Universitäten wird es dann auch nicht besser - Eingangsprüfungen, STEOPS, beschränkte Seminarplätze, das alles ist Realität in einem Land das nach Aussage der Bundeshymne ja "Heimat großer Söhne/Töchter" ist.
Hier zeigt sich auch ein Wesenszug, der wahrscheinlich Teil unseres Problems ist: Wir sprechen gerne große schöne Worte, nur die Realität in der wir leben ist eine komplett andere:
Mit großem Enthusiasmus wurden die Töchte in die Bundeshymne reklamiert - Fakt ist aber, dass trotzdem am österreichischen Arbeitsmarkt Frauen im 21. Jahrhundert bei gleicher Qualifikation nach wie vor massiv weniger bezahlt bekommen als ihre männlichen Kollegen. Was tun wir dagegen? Nichts, im besten Fall wird eine Expertenkommission eingesetzt und das Thema auf 2199 vertagt.
Wer die Website des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung besucht, bekommt dort den Eindruck, dass die österreichischen Streitkräfte eine Truppe von hochmotivierten, top-ausgerüsteten Spezialeinheiten ist. Das Gegenteil ist der Fall, die Truppen werden zu Tode gespart und trotzdem hat man im letzten Jahr eine Volksbefragung vom Zaun gebrochen, in der die Generation 60+ beschlossen hat, dass ihre Enkel weiterhin einen extrem sinnentleerten Wehrdienst zu leisten haben. Auch beim alternativen Zivildienst kann man seine Wunder erleben - wer schon einmal versucht hat, einen Platz beim Gedenkdienst zu bekommen, wird hier auch einige Überraschungen erlebt haben.
Die österreichischen Unternehmen bekommen aktuell vermittelt, dass Banken in Zukunft nicht mehr für sie zuständig sein werden: Nein, sie dürfen ihr Glück im Crowdfunding suchen, dass uns aktuell von Politik und Interessensvertretungen als einzig seelig machende Lösung zur Finanzierung verkauft wird. Was dabei von den Verantwortlichen verschwiegen wird: Es sind nicht die ersten 1-2 Millionen Euro Kick-off-Finanzierung, die für österreichische Unternehmen ein Problem darstellen. Nein, es sind die weiteren 20-30 Millionen Euro die es braucht um technologische Entwicklungen fit für den globalen Markt zu machen, welche im österreichischen Markt nicht aufzustellen sind.
Eines der großen Themen unserer Zeit ist auch die Sicherung der zukünftigen Pensionen. Hier wird uns von den politisch Verantwortlichen in stetiger Regelmässigkeit versichert, dass alles gut sei. Die Fachleute sind anderer Meinung, und auch der blindeste Staatsbürger bekommt mittlerweile ein schlechtes Gefühl, wenn er an die Zeit nach dem aktiven Berufsleben denkt. Die Generation der heute unter 45jährigen zahlt in stetiger Form Beiträge in ein System ein, welches die Rahmenbedingungen ihres zukünftigen Leistungsbezugs sukzessive massiv verschlechtert, bzw. verschleiert. Subventioniert werden Pensionsprivilegien im staatlichen und teilprivatisierten Bereich - schön für die heute 60 bis 65jährigen die im Zuge der Frühpensionierungswelle im Bundesdienst Mitte der 2000er Jahre ein Pensionsantrittsangebot erhalten haben, dass sie nicht abweisen konnten. Parallel erhöht der Staat die Abgabenquote und besteuert alle Schienen, die dazu dienen könnten durch privates Ansparen Ausfälle bei den staatlichen Pensionszahlungen abzufangen. Unter dem Deckmantel "Millionäre" zu besteuern wird die Masse massiv abgecasht.
Warum steht nun niemand auf, und erhebt Protest? Die Antwort ist vielschichtig: Einerseits sind die Österreicher schon immer(und nach wie vor) einem starken staatlichen Management ihrer Interessen durch den Staat zugetan. Eine starke staatliche Autorität, welche den Bürgern den Weg durch ihr Leben weist wird von vielen Mitbürgern als durchaus sympathisch gesehen. Man akzeptiert, dass der Staat massiv in die Rechte seiner Bürger eingreift, und viele Weichenstellungen vornimmt ohne den Einzelnen damit zu befassen oder seine Meinung einzuholen. Mit großer Regelmässigkeit wird auch auf das Schweizer Modell der Bürgerbeteiligung verwiesen - nur wir haben diese Kultur nicht. Wir haben in der Nachfolge des Staatsvertrages unser Schicksal irgendwann in die Hände der beiden Großparteien gelegt und zugelassen, dass diese in Verbindung mit den ihnen zugehörigen Landespolitikern ein immer intransparenteres System der Machterhaltung geschaffen haben. Bis heute akzeptiert die Masse der Österreicher ohne Murren, dass sich politische Parteien Funktionen im Bundesdienst oder staatsnahen Bereichen paritätisch im Proporzsystem aufteilen.
Wir haben es zugelassen, dass eine schlampige Variante des "laissez-faire" in unserm Land um sich greifen konnte. Die Geschichte Österreichs in den Jahren 1970-heute ist auch eine Geschichte großer, systemisch begünstigter Skandale. Wer ein bißchen genauer hinschaute, konnte die meisten Skandale aufkommen sehen. Die Mischung aus politisch-wirtschaftlichen Interessen und Begünstigungen wurde über die Jahre immer professioneller und weitgreifender.
Was uns fehlt, sind Leitfiguren die auch ihre Stimme gegen das systemische Fehlentwicklungen erheben. Sprach Kirchschläger noch von den "Sümpfen die trocken gelegt werden müssen" als es um den AKH-Skandal und seine Aufarbeitung geht, so fehlt dieses Korrektiv heute komplett. Die österreichische Nomenklatur erhebt ihre Stimme in der Masse nicht, wenn es um die Interessen der Zivilgesellschaft und des einzelnen Staatsbürgers geht. Die wenigen Ausnahmen sind zumeist "elder statesmen" oder Wirtschaftstreibende die bereits wirtschaftlich unabhängig sind und im fortgeschrittenen Alter auch weniger Risiko scheuen. Doch wo sind die Stimmen der heute unter 40jährigen - wer sind ihre Gesichter, wer die Vertreter die der nächsten Generation auch die Bewahrung ihrer Rechte sichern? Es gibt sie in Wirklichkeit medial nicht - zwar werden immer wieder neue Proponenten der "Startup-Generation" oder der "jungen Politik" von den österreichischen Medien gecastet, aber in Wirklichkeit gibt es aktuell keine Vertreter der jüngeren Generation die einigermassen Gewicht in der öffentlichen Debatte hätten. Viel zu gewichtig sind dagegen die Vertreter der Pensionisten und der staatlich Bediensteten.
Es bleibt trotzdem zu hoffen, dass die Generation unserer Kinder und Enkelkinder bald erkennt, dass es ihre Zukunft ist die hier aktuell verspielt wird. "Change" war ein Schlagwort im erfolgreichen Wahlkampf Barack Obamas, der international bekannt wurde auch zu dessen Erfolg massiv beigetragen hat(auch wenn man die konkrete Umsetzung des politischen Plans der Regierung Obama durchaus kritisch sehen kann). Dieser "Change", der Wille zur Veränderung ist es, der unserem Land aktuell fehlt und positive Veränderungen verhindert.
Doch nur mit diesen Veränderungen werden wir sicherstellen können, dass zukünftige Generationen unsere Zeit nicht als eine verlorene Zeit in der Geschichte unseres Landes sehen werden.