Er wurde nur 17 Jahre alt, und starb einen Tod wie er ihn vermutlich auf gewaltverherrlichenden Propaganda-Websites des IS als Idealbild vermittelt bekommen hat. Nachdem er Reisende in einem Zug mit Messer und Axt attackiert hatte und anschließend geflohen war, wurde er auf der Flucht von einem SEK erschossen.
Der zuletzt bei einer Pflegefamilie untergebrachte Jugendliche war einer von ca 70.000 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen in Deutschland. Warum er gesternabend in einem Zug wahllos auf Mitreisende einzustechen begann, wird man vermutlich nie gänzlich klären können. Augenscheinlich war er aber mit IS-Propaganda in Kontakt gekommen (wie so viele seiner Altersgruppe), denn es kursieren bereits Presseberichte, wonach eine IS-Flagge bei ihm gefunden worden wäre.
Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge stellen oft "Ankerkinder" dar, sie werden von ihrer Familie auf die Reise geschickt – denn sie haben den Vorteil, dass sie, wenn sie im Zielland als Flüchtlinge anerkannt werden, bevorzugt Familiennachzug gewährt bekommen. Dementsprechend groß ist der soziale Druck, die Reise zu schaffen, und auch noch vor dem 18.Geburtstag als Flüchtling im Zielland akzeptiert zu werden. Nach Nationen gerankt sind die afghanischen UMFs (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) die zahlenmäßig größte Gruppe.
Auch Österreich hat ein Thema mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen - aktuell befinden sich knapp über 400 UMF (so das Akronym) in der Betreuungsstelle Ost, wesentlich weniger als noch im Dezember 2015 als knapp 1.100 UMF registriert waren. Bedingt durch ihre Jugend sind sie einerseits besonders schutzbedürftig, andererseits aber auch augenscheinlich besonders anfällig für einschlägige Straftaten im Bereich Gewalt/sexuelle Gewalt. Viele der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge werden in Österreich und Deutschland mit Verletzungen, bzw. Narben, die von ihrer Reise, bzw. Aufenthalten in Lagern stammen, registriert - und hier wird noch nicht eine Traumatisierung behandelt, die ein Jugendlicher auf dem gefährlichen Trip nach Europa sicher auch durchläuft. Auch zum Thema an minderjährigen Flüchtlingen verübte sexuelle Gewalt gibt es keine tragfähigen Zahlen.
Aktuell geht man davon aus, dass in der gesamten EU knapp 10.000 Jugendliche registriert wurden, diese aber nicht mehr auffindbar sind - für Österreich konnte der Innenminister im Rahmen einer Anfragebeantwortung im Juni nicht einmal valide Zahlen nennen.
Auffällig werden/wurden UMF vor allem bei in den Medien massiv kommunizierten Vorfällen, etwa sexuellen Missbrauchsfällen in Bädern, aber auch in Österreich zB. bei der Vergewaltigung einer türkischen ERASMUS-Studentin. Nun hat scheinbar auch die Ideologie des IS mit ihrem massiven Pathos und dem Verklären des Tötens von Ungläubigen als gottgefällige Tat das erste Mal einen Täter geschaffen - wohl gemerkt, hier dürfte es sich eher um Fälle von "Terror-Franchise/Merchandising" handeln als um die tatsächliche Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.
Doch gerade das macht auch die Gefahr der Entwicklung aus - speziell im Bereich der männlichen minderjährigen Flüchtlinge gibt es kulturelle Desorientierung - wenig Schulbildung und Welterfahrung trifft auf(für fremde Augen) sehr freizügige Verhaltens- und Lebensweisen im europäischen Kontext. Erschwert wird die Situation durch "Aufbewahrung" dieser jugendlichen Menschen in zum Teil Massenquartieren, und auch in späterer Unterbringung bei zB Pflegefamilien sind die sprachlichen und kulturellen Barrieren oft schwer zu überbrücken.
Es sollte den Verantwortlichen im Bereich Flüchtlingsbetreuung daran gelegen sein, schnell Lösungen zu entwickeln, die speziell auf die Bedürfnisse der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ausgerichtet sind - wenn wir nicht wollen, dass wir uns in unseren eigenen Ländern ein doch dramatisch zu betrachtendes Radikalisierungspotential züchten.
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