Manchmal passieren Dinge, die kann man sich als denkender Mensch einfach nicht erklären. Es sind Dinge wie etwa jene Klageablehnung vom letzten Herbst, als eine junge Staatsanwältin beschied, dass der eher in der rechts-außen zu lokalisierenden Publikation "Aula" erschienene Artikel eines Herrn Duswald, in welchem dieser die KZ-Überlebenden als "Landplage" und "Kriminelle" beschrieb, nicht verwerflich sei. Eine "Landplage" also, die nach ihrer Befreiung "raubend und plündernd, mordend und schändend" durchs Land gezogen sei (siehe dazu auch meinen damaligen Blog).
Nun, es mag der Staatsanwältin zu Gute gehalten werden, dass sie Kraft ihres Alters und vielleicht fehlenden historischen Wissens nicht anders zu entscheiden wußte - in ihrer Urteilsbegründung eine Formulierung wie "es sei nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete dargestellt habe" zu wählen, zeugt dann doch von mehr als einer gewissen Unsensibilität.
Dass der 82jährige Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums diese Ablehnung auch noch gut hieß, und wie er meinte "aus persönlichem Erleben" das alles nachvollziehen könne, war dann nur mehr das Sahnehäubchen auf diesem unappetitlichen Geschehen.
Immerhin - dem Justizminister war das ganze dann doch zu peinlich, und er verordnete angehenden Richtern und Staatsanwälten eine verpflichtende Schulung in historischen Themen, um eine verstärkte Bewusstseinsbildung zu forcieren. Auch dem zuständigen Sektionschef war die Entscheidung zuviel - er sprach davon, dass sie "unfassbar und menschenverachtend" sei, sehr offen also für österreichische Verhältnisse.
Die schwerwiegendste Konsequenz aus der Angelegenheit war, dass die Aula sich in ihrem Wirken bestärkt sah, und ab dieser Entscheidung laufend die Tonart rund um dieses Thema verschärfte, und im Juni 2016 gar meinte, man werde beweisen, dass mehr als die Hälfte der in Deutschland und Österreich in KZ-Häftlinge Verbrecher gewesen wären.
Doch nun bekommt Österreichs Justiz die Chance zu zeigen, dass man auch in einem solch sensiblen Umfeld aus Fehler lernen kann.
Denn eine Gruppe von neun KZ-Überlebenden hat eine Klage wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung eingebracht - auf Grund des Firmensitzes der Aula wiederum beim zuständigen Gericht in Graz.
Den Klägern ist bewusst, dass es sich formal um eine Kollektivbeleidigung handle - man geht aber auf Grund der mittlerweile doch sehr kleinen Gruppe von noch lebenden KZ-Häfltingen von einer sogenannten Aktiv-Legitimation aus. Zudem wären ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland schon zugunsten überlebender Häftlinge entschieden worden.
Es bleibt zu hoffen, dass bei welchem Ausgang der Angelegenheit auch immer die österreichische Justiz diese Chance zur Gesichtswahrung nützt, und vor allem auch in Betracht zieht, welche Optik mit einer Umkehr der Opfer/Täter-Relation hier hergestellt wird. Wir sind es den letzten noch überlebenden Opfern der NS-Diktatur schuldig, dass sie nicht von rechten Postillen verunglimpft und in den Schmutz gezogen werden – wenn wir das zulassen, dann haben wir aus unserer Geschichte wirklich nichts gelernt.
German Federal Archives / fotographer unknown https://de.wikipedia.org/wiki/KZ-Häftling#/media/File:Bundesarchiv_Bild_183-R96361,_Dachau,_Konzentrationslager.jpg