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Angela Merkel hat in einer mit Spannung erwarteten Erklärung den Weg freigemacht für strafrechtliche Untersuchungen gegen den Satiriker Jan Böhmermann. Dies erfolgte nach einem schriftlichen Antrag auf Strafverfolgung durch die Republik Türkei. Die deutsche Regierung hatte (wie sie auch offen nach außen kommunizierte) innerhalb der Koalition unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich der Vorgehensweise. Durchgesetzt hat sich nun ein Mittelweg, der zwar ein klares Bekenntnis zu den Grundrechten von Kunst- und Medienfreiheit beinhaltet, aber auch ein klares Statement zur Gewaltenteilung zwischen Politik und Justiz transportiert. Angela Merkel wies in ihrer Rede klar darauf hin, dass die Aufnahme von Untersuchungen an sich keine Vorverurteilung oder einen Gerichtsspruch darstellen, sondern legitime Vorgänge in einem Rechtsstaat seien. Gleichzeitig gab sie bekannt, dass der Paragraph auf den sich die Türkei berufen hat, noch in dieser Legislaturperiode gestrichen werden solle.
Auch wenn es viele Beobachter nicht so sehen wollen – die heutige Entscheidung ist ein Sieg für westliche und demokratische Werte. Nichts wäre gewonnen gewesen, wenn die Regierungsparteien in einem Akt der Aushöhlung der Kompetenzen der Justiz Böhmermann vor Ermittlungen geschützt hätten. Böhmermann hat bewusst die Konfrontation mit dem türkischen Staatsoberhaupt gesucht, dies steht ihm als Künstler frei - wenn sich der Karikierte jedoch persönlich beleidigt fühlt, dann muß sich auch der Künstler die Bewertung seines "Kunstwerks" durch die Justiz unter Berücksichtigung geltender Gesetze gefallen lassen.
Es ist zu erwarten, dass die Ermittlungen der Justiz für Böhmermann nicht allzu belastend werden - die heutige Entscheidung ist auf jeden Fall eine mutige, aber auch richtungsweisende für die Einhaltung staatlicher Gewaltenteilungen.